Ein Kopfballduell mit fatalen Folgen

Baumühlner verletzt
Nach einer Kollision bei einem Testspiel rang Hobbykicker Christoph Baumühlner mit dem Tod.

Als Christoph Baumühlner Freitagabend in der NÖ-Landesliga für den SV Langenrohr aufs Spielfeld lief, war das der vielleicht schönste Moment im bisherigen Leben des 26-Jährigen. Für die Mannschaft war es zu Saisonende die letzte Chance, sich für einen Startplatz im ÖFB-Cup zu qualifizieren. Für Baumühlner, der in der zweiten Spielhälfte eingewechselt wurde, ging es um viel mehr.

Der Mittelfeldspieler ist fast eineinhalb Jahre auf keinem Fußballplatz mehr gestanden, und lange sah es so aus, als könnte Baumühlner nie wieder einem Ball hinterherjagen.

Der Leidensweg des Amateur-Kickers begann am 21. Jänner 2012. Der SV Langenrohr absolvierte ein Testspiel in Ober-Grafendorf bei St. Pölten. Nach einem Kopfballduell ging Baumühlner mit einer Platzwunde an der linken Schläfe zu Boden.

„Ich wollte eigentlich weiterspielen, doch mein Onkel, der auch unser Trainer ist, hat mich ausgewechselt“, erzählt der 26-jährige, der sein Brot als Krankenpfleger im LKH Tulln verdient.

Erinnerungslücke

Christoph Baumühlner wurde mit der Rettung ins Spital nach St. Pölten gebracht, um die Wunde nähen zu lassen. „Das Letzte, woran ich mich erinnere, waren die Neonröhren der Deckenbeleuchtung, als ich durch die Gänge des Spitals geschoben wurde.“

Als er wieder aufwachte, waren drei Tage vergangen. Was dazwischen passiert ist, weiß der 26-Jährige nur aus Erzählungen: „Ich wurde plötzlich aggressiv, habe um mich geschlagen und einen Arzt in den Arm gebissen. Neun Ärzte und Pfleger waren notwendig, um mich zu bändigen und am Bett zu fixieren“, sagt Baumühlner.

Er bekam hohe Dosen Beruhigungsmittel und wurde in künstlichen Tiefschlaf versetzt. „In den folgenden Tagen wurde ich drei Mal aus dem Tiefschlaf geholt. Ich war jedes Mal so desorientiert und aggressiv wie am ersten Tag und habe auch meine Freundin nicht erkannt.“ Erst beim vierten Versuch klappte es: Christoph Baumühlner wachte auf und alles war wie vor dem Unfall.

Was genau in seinem Gehirn passiert ist, können sich die Ärzte nicht erklären. Die Diagnose lautet „Schädel-Hirn-Trauma mit Dehnung der Schädel-Nähte“. Drei Tage später wurde Baumühlner aus dem Spital entlassen.

Knieverletzung

Sein Comeback als Kicker wurde trotzdem zur Geduldprobe. Zwei schwere Knieverletzungen samt Operationen kamen dazwischen. Doch immerhin: Die Kopfverletzung blieb bis auf eine kleine Narbe folgenlos. Das Spiel am Freitag endete übrigens 0:0 – doch das Ergebnis war für Christoph Baumühlner, der 20 Minuten vor Spielende eingewechselt wurde, an diesem Tag nicht das Wichtigste.

Es war die 69. Spielminute. Thomas R. stieß am 11. Mai bei einem Match in Eisenerz beim Kopfball mit einem Spieler der anderen Mannschaft zusammen. Er bekam Kopfschmerzen. Im Rettungsauto kollabierte der 19-jährige Maturant, im AKH Linz wurde er operiert und in künstlichen Tiefschlaf versetzt.

Zwei Wochen später war Thomas tot. Sein Team, der ESV/WSV Eisenerz, kickte am Tag danach mit Trauerflor. Am Rande des Spielfelds wurden Kerzen aufgestellt, eine Gedenkminute eingehalten.

Todesursache unklar

Seither ermittelt die Staatsanwaltschaft Leoben, denn die Obduktion ergab keine eindeutige Todesursache: Ein Hirnödem, verursacht durch den Zusammenprall? Ein tragischer Todesfall als Folge einer Vorerkrankung? Sogar eine Lungenentzündung sei möglich, heißt es aus der Justiz. Die Ermittlungen, um den möglichen Sachverhalt feststellen zu könne, dauern noch an. Die Gerichtsmedizin regte weitere Gutachten an, um etwaige Vorschädigungen des Jugendlichen ausschließen zu können, erläutert Walter Plöbst, Leitender Staatsanwalt in Leoben.

Doch auch für die Freunde und Kollegen aus dem Verein ist Thomas’ plötzlicher Tod noch lange nicht verarbeitet: Seine Trikotnummer, die 13, soll nie mehr vergeben werden.

Von den Unfallzahlen her scheint Fußballspielen die Österreicher häufig ins Spital zu bringen: 30.900 Hobbykicker verletzen sich pro Jahr so schwer, dass sie behandelt werden müssen, sagt Alexandra Kühnelt-Leddihn, Präventionsberaterin beim Kuratorium für Verkehrssicherheit. Nur Skifahrer landen öfter im Spital oder Wartezimmer von Ärzten (siehe Grafik).

Beim Kicken passiert mehr als die Hälfte der Unfälle bei Kollisionen von zwei Spielern (54 Prozent). So tragische Folgen wie beim jungen Thomas aus Eisenerz (Bericht oben rechts) sind aber die Ausnahme. Nur zwei Prozent aller Verletzungen von Hobbykickern betreffen den Kopfbereich. Am häufigsten sind Sehnen und Muskeln betroffen (38 Prozent aller Fälle), gefolgt von Knochenbrüchen (37 Prozent). Prellungen machen zehn Prozent der Verletzungen aus.

Ein Kopfballduell mit fatalen Folgen
Es sind vor allem junge Kicker, deren Blessuren verarztet werden müssen: 13.700 der Betroffenen waren zwischen 15 und 24 Jahre alt, das ist ein Anteil von 44,3 Prozent. Kinder unter 15 Jahren machen ein Viertel der Verletzten aus, Kicker über 25 Jahre 31,4 Prozent.

Sportmediziner Peter Schober vom Uni-Klinikum Graz stellt jedoch klar: Anhand reiner Unfallzahlen ließe sich nicht gleich auf die Gefährlichkeit einer Sportart schließen. „Man muss die Anzahl der Unfälle immer in Relation stellen zu der Masse an Menschen, die diese Sportart ausüben. Man kann also nicht generell sagen, Fußball oder Skifahren sind gefährlicher als andere Sportarten.“

So gebe es etwa beim Reiten sehr schwere Unfälle. Sie scheinen aber in der Statistik erst weit unten auf, weil es wesentlich weniger Reiter als Hobbykicker gibt.

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