Sprengstoff-Spur im Grazer Terrorfall

Anti-Terroreinsatz im vergangenen Jänner in Graz
Gutachten entlastet Prediger. Den Ermittlern bereitet aber ein brisanter Sprengstofffund Sorge.

Wie gefährlich sind Österreichs Hinterhof-Imame? Diese Frage stellt sich, seit bekannt geworden ist, dass die Attentäter von Barcelona anscheinend vor ihrem Anschlag von einem Hassprediger radikalisiert worden sind.

Auch hierzulande halten Verfassungsschützer so etwas für denkbar. Der wohl bekannteste Imam Österreichs, Mirsad O., wurde bereits in erster Instanz zu 20 Jahren Haft verurteilt. Im Rahmen einer weiteren Verhaftungswelle wurden im Jänner in Graz und Wien zwei weitere schillernde Figuren der Szene zusammen mit 12 Terrorverdächtigen eines radikalen Grazer Moscheevereins aus dem Verkehr gezogen. Die beiden Prediger sind der ehemalige Kickboxer und gebürtige Wiener Ebu Muhammad alias Nedžad B. (41) sowie der aus Afghanistan stammende Farhad Q. (40), in radikalen Kreisen besser bekannt als Abu Hamzah al-Afghani.

Bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) betont man, dass die radikalen Prediger "selbst ernannte Imame seien", besagte Moscheevereine sind nicht offiziell anerkannt.

Farhad Q. soll nun weniger gefährlich sein, als anfänglich vermutet. Er wurde kürzlich aus der U-Haft in Graz entlassen, nachdem ihn das Sachverständigengutachten des deutschen Islamwissenschafters und Terrorismusexperten Guido Steinberg entlastet. Steinberg wurde von der Staatsanwaltschaft Graz damit beauftragt, festzustellen, ob die Predigten und Schriften der beiden Verdächtigen staatsfeindlich sind oder zur Beteiligung an einer radikal islamischen Vereinigung wie dem sogenannten Islamischen Staat (IS) aufrufen.

"Im Fall von Farhad Q. kommt eindeutig heraus, dass das nicht so ist. Er lehnt den IS und dessen Gewaltherrschaft sogar strikt ab", erklärt dessen Anwalt, Wolfgang Blaschitz. In Steinbergs Gutachten heißt es, dass die Schriften der beiden Prediger Werke einer jihadistisch geprägten radikal islamistischen Ideologie sind, ein Aufruf zur Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sich jedoch nicht findet.

Religiöse Autorität

Nedžad B. sitzt noch in U-Haft, weil es Hinweise gibt, dass er der "Hazmi"-Strömung des IS nahegestanden haben könnte. Ein Indiz dafür ist laut Steinberg, dass aus dem Grazer Glaubensverein, in dem der Prediger federführend "die wichtigste religiöse Autorität" war, 19 Personen nach Syrien in den Krieg gezogen sind. Mitunter nahmen die Familien ihre kleinen Kinder mit, die dort die Gräueltaten wie Massenhinrichtungen, Enthauptungen und Bombardements miterleben mussten.

Wie Observationen und Telefonüberwachungen ergaben, hatten sich einige der 12 festgenommenen Terrorverdächtigen des Grazer Vereins in Syrien dem Dschihad angeschlossen. Eine der Schlüsselfiguren des staatsfeindlichen Vereins scheint der ehemalige Kassier Evrim B. zu sein. Er soll 2015 als Mitglied des Islamischen Staates in Syrien gekämpft haben. Am 9. März 2016 kehrte er mit einem österreichischen Notpass über die Türkei nach Wien zurück. Bei den Observationen stellten die Ermittler engen Kontakt zu Nedžad B. und Farhad Q. fest.

Auf eine brisante Entdeckung stießen die Verfassungsschützer in Evrim B.s Wohnung in Wien-Floridsdorf. Spezialisten des Bundeskriminalamtes stellten auf einem Türgriff Rückstände des militärischen Sprengstoffs TNT sicher. Die Kriminalisten vermuten, dass der Verdächtige damit in den Räumen des Grazer Glaubensvereins in Berührung kam. Ermittlungen sind noch im Laufen. Der TNT-Fund wird vom Verfassungsschutz äußerst ernst genommen. Evrim B. und die anderen Verdächtigen warten indes auf ihre Anklage.

Am Dienstag war der Wirbel nach dem KURIER-Bericht über die Imam-Hatip-Schule in Wien Liesing groß. Wie sich zeigt, gibt es Verbindungen der Prediger-Schule, die direkt nach Ankara und zur Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) führen. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid machte klar, dass die Schule nach den Sommerferien nicht mehr öffnen solle: "Sollte sich in den Ermittlungen bestätigen, dass hier ohne Genehmigung eine Privatschule betrieben wurde, werden wir selbstverständlich mit allen rechtlichen Mitteln gegen den Betreiber vorgehen", sagte Hammerschmid zum KURIER.

Auch der Wiener Bürgermeister Häupl machte sich am Dienstag für die Schließung der Schule stark. Die IGGÖ wies am Dienstag jede Verbindung zur Imam-Schule von sich. Die Glaubensgemeinschaft sei weder für die Aufsicht, noch für die Erhaltung der Schule zuständig, hieß es auf KURIER-Anfrage.

Offen ist, wie die Politik die Schule schließen will: Ein Möglichkeit könnte das Islamgesetz geben: Es verbietet eine Finanzierung der religiösen Vereine aus dem Ausland. Für die Kontrolle des Gesetzes ist Staatssekretärin Muna Duzdar zuständig. Sie präsentierte am Dienstag einen ersten Zwischenbericht: Vor allem aus der Türkei wurden in der Vergangenheit zahlreiche islamische Vereine in Österreich finanziert. Die bisherigen Ermittlungen – zuletzt wurden rund 150 religiöse Einrichtungen geprüft – hätten etliche Verdachtsfälle zutage gefördert. Die Prüfungen und Ermittlungen, an denen auch der Verfassungsschutz beteiligt ist, werden deshalb ausgeweitet.

Die Staatssekretärin will zudem Nachschärfung des Islamgesetzes und eine Reform des Aufsichtsmodells. Zehn zusätzliche Prüfer sind sofort bewilligt worden. Bedenken meldete die IGGÖ an: "Politiker sollen nicht über die IGGÖ reden, sondern sie muss bei solchen Themen miteinbezogen werden", kritisierte IGGÖ-Chef Ibrahim Olgun.

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