Terror-Abwehr im Drogeriemarkt

Nagellack entfernen ist verdächtig ...
Wer zu viel Grillanzünder, Nagellackentferner oder Dünger kauft, gilt bald als Terrorverdächtiger.

Der Kampf gegen den internationalen Terror findet derzeit nicht nur in Syrien statt. Er soll schon bald beim Bipa oder dm-Markt um die Ecke beginnen. Wer viel Nagellackentferner kauft oder eine größere Menge an Grillanzünder im Baumarkt, muss künftig dem Bundeskriminalamt gemeldet werden. Die Kassierin muss entscheiden, wer sich verdächtig macht und nötigenfalls wohl nach einem Ausweis fragen.

Auch Maler, die Aceton zum Auswaschen ihrer Pinsel kaufen, könnten künftig auf die ominöse Terrorverdächtigen-Liste des Bundeskriminalamts kommen. Oder Landwirte, die ihre Felder düngen. Und eben Frauen, die zu viel Nagellackentferner benützen.

Eine EU-Richtlinie

So sieht es zumindest die Novelle des Chemikaliengesetzes vor. Die Begutachtung ist bereits abgeschlossen; das Landwirtschaftsministerium versucht dieses kuriose Gesetz gerade fertigzustellen. Was wie ein Schildbürgerstreich klingt, ist die nicht zu umgehende Umsetzung einer EU-Richtlinie. Denn in Europa ist die Terrorangst gewaltig. Befürchtet wird, dass Salafisten oder IS-Kämpfer einfach handelsüblich Chemikalien einkaufen und daraus Bomben basteln könnten.

Deshalb ist seit Anfang September bereits der Verkauf von Wasserstoffperoxid oder Nitromethan an Private verboten. Ersteres benötigen Jäger für die Reinigung der Geweihe. Laut Apothekerkammer laufen die Jäger in den Apotheken bereits Sturm, weil sie das Reinigungsmittel nicht mehr kaufen können. Das Nitromethan ist etwa im Benzin für Modellflugzeuge zu finden. Beides soll es in einigen Monaten wieder für Private geben, allerdings nur, wenn sie sich registrieren lassen.

Mit Meldepflicht

Die zweite Chemikalien-Gruppe in dem Gesetzesentwurf betrifft Stoffe, bei denen Verkäufer "verdächtige Transaktionen" melden müssen. Eine genaue Menge, ab der Meldepflicht besteht, wird allerdings im Gesetzestext nicht mitgeliefert. Betroffen sind etwa Hexamin (in Grillanzünder enthalten), Aceton (Nagellackentferner oder Pinselreiniger) und mehrere Nitrat-Verbindungen (etwa in Düngemitteln).

Entsprechend vernichtend ist der Tenor der Experten in der Begutachtung des Gesetzesentwurfs. Die AUVA sieht in dem Gesetzesvorhaben schlichtweg "keinen gesellschaftlichen Nutzen" und hält es für "unzweckmäßig". Die TU Wien amüsiert sich darüber, dass der Diebstahl von Aceton gemeldet werden muss. Dieser Stoff hat nämlich ein großes Problem: Er verdampft sehr schnell. Es lässt sich oft nicht feststellen, ob er gestohlen wurde oder sich einfach aufgelöst hat.

Wer die (nicht näher definierten) "verdächtigen Transaktionen" nicht bei der Polizei meldet, wird mit Verwaltungsstrafen bedroht. Was das Bundeskriminalamt mit all diesen Listen mit terrorverdächtigen Jägern, Malern, Nagellack-Fans, Grillfreunden und Modellbauern anfängt, will man dort nicht kommentieren. "Zu diesem Gesetz gäbe es sehr viel zu sagen; aber so lange das noch nicht in Kraft ist, wollen wir lieber nichts dazu sagen", heißt es im Bundeskriminalamt eher resignierend.

Gruppe I
Diese Stoffe dürfen seit 2. September nicht an Private abgegeben werden: Nitromethan, Wasserstoffperoxid, Chlorate und Perchlorate, Salpetersäure. Für die beiden Erstgenannten wird es mit Inkrafttreten des Gesetzes allerdings eine Ausnahme geben: Sie dürfen gegen Registrierung verkauft werden.

Gruppe II
Bei diesen Chemikalien müssen von den Verkäufern „verdächtige Transaktionen, Diebstahl und Abhandenkommen“ gemeldet werden: Hexamin, Schwefelsäure, Aceton, Nitrate, Kalkammon- Salpeter (Stickstoffdünger) und Ammoniumnitrat. Wann das Gesetz in Kraft treten wird, steht noch nicht fest.

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