"Tempo 100 trifft ins Schwarze"

Kathrin Stainer-Hämmerle fehlt ein „Zukunftsbild“ der Kärntner Zukunftskoalition
Politologin Stainer-Hämmerle glaubt: Holub kann mit Limit sogar im ÖVP-Lager fischen.

Ruhig verlief der bisherige Wahlkampf in Kärnten, sieht man von internen Streitigkeiten bei den Grünen und dem BZÖ ab. Mit der Forderung von Grün-Umwelt-Landesrat Rolf Holub nach der Einführung von Tempo 100 auf der Südautobahn zwischen Klagenfurt und Villach kommt Bewegung in die Polit-Landschaft. Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle spricht im Interview über die bevorstehenden Wahlen, mögliche personelle Konsequenzen bei SPÖ und ÖVP und die wahrscheinlichste Koalitionsvariante auf Landesebene.

KURIER: Holub ließ ein Gutachten zu Tempo 100 in Auftrag geben, das die Sinnhaftigkeit einer Geschwindigkeitsreduktion aus Lärmschutzgründen unterstreicht, sein Antrag liegt beim Verkehrsministerium. Autofahrerklubs, Pendler und Politgegner schreien vor der Nationalratswahl und der Landtagswahl im März 2018 auf. Nützt Holub diese Aktion?

Stainer-Hämmerle:Mit Tempo 100 kann man punkten. Holub positioniert sich, hat ein Stammtischthema gefunden, er trifft im doppelten Sinn ins Schwarze. Klar wird er sich bei den Pendlern wenig Freunde machen, aber die will er ja nicht erreichen. Er vertritt grüne Kern-Werte, ist im Gespräch und es gibt Befürworter: pikanterweise im Klagenfurter Speckgürtel, in den von der ÖVP dominierten Wörthersee-Gemeinden. Zwölf Prozent erreichten die Grünen bei der Landtagswahl 2013. Ich glaube, dass sich mehr für eine Tempobremse aussprechen.

Welches Thema wird den Kärntner Wahlkampf außerdem bestimmen?

Das wird die neue Bundesregierung in Wien sein. Denn wie auch immer die Nationalratswahl ausgehen wird und welche Koalition sich findet: die Hälfte der Bevölkerung wird empört sein und in Kärnten wird dann ein entsprechendes Gegenprogramm gefahren.

Wird mit dem Abschneiden von Sebastian Kurz im Bund auch das Schicksal von Kärntens ÖVP-Chef Christian Benger verbunden sein?

Wenn Kurz gewinnt, bin ich mir nicht sicher, dass Benger bleibt. Kurz könnte Lust bekommen, die Partei weiter umzubauen und einen Kurz für Kärnten zu suchen.

Auch Landeshauptmann Peter Kaiser könnte der SPÖ abhanden kommen, falls es in der Top-Team-Affäre zu einer Anklage kommt. Wäre Gaby Schaunig die logische Nachfolgerin?

Die nötige Erfahrung hätte sie. Allerdings verkörpert sie nicht unbedingt die Landesmutti, wie man sich das auf dieser regionalen Ebene vorstellen würde. Dass er nicht die Herzen der Kärntner erreichen würde, wurde jedoch Kaiser auch lange unterstellt. Landtagspräsident Reinhart Rohr hängt auch in den Top-Team-Untersuchungen drin. Vielleicht könnte man SPÖ-Klubobmann-Stellvertreter Andreas Scherwitzl eine so wichtige Rolle übergeben.

Ansonsten scheint es, alles läuft auf ein Duell SPÖ gegen FPÖ hinaus. Hat Kaiser mit seinem Kriterienkatalog, worin er eine rot-blaue Koalition legitimiert hat, für Kanzler Christian Kern einem solchen Bündnis auch für Kärnten den Weg geebnet?

Kaiser hat eine wichtige Rolle im Bund übernommen, weil Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und Wiens Bürgermeister Michael Häupl, das Auslaufmodell der SPÖ, diese nicht erfüllen können. Kaiser wird ein Bündnis in Kärnten mit der FPÖ nicht aktiv anstreben. Aber er kann die Sache sicher schönreden.

Ihre Prognose für die Landtagswahl 2018: SPÖ vor FPÖ?

Außer die ÖVP präsentiert den erwähnten Wunderwuzzi. Die FPÖ wird zu den Gewinnern zählen – von diesem beschämenden Niveau aus (17 Prozent im Jahr 2013, Anm.) ist das klar.

Die Kärntner Zukunftskoalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen war aber ursprünglich auf zwei Perioden ausgelegt.

Die ÖVP hat der Koalition stets in die Suppe gespuckt. Die Versprechen der Zukunftskoalition sind abgearbeitet, doch mir fehlt ein Zukunftsbild für die nächsten 20 Jahre. Dass die Hypo-Causa aufgearbeitet wurde – no na; die Verfassungsreform – fragen Sie auf der Straße, was die Abschaffung des Proporzes bedeutet? Der Wähler unterscheidet heute nicht mehr zwischen links und rechts, sondern zwischen optimistisch und pessimistisch. Das Aufarbeiten von Altlasten alleine ist zu wenig.

Was wird aus dem BZÖ?

Das hat sich sowieso erledigt, der Existenzgrund war Jörg Haider. Die Partei hat keine Perspektive – das Team Kärnten wird davon profitieren, das durchaus vierte Kraft werden könnte.

Glauben Sie, dass in Kärntens Polit-Landschaft Platz für einen Neuein- oder Umsteiger wäre?

Durchaus, wenn jemand ein brennendes Thema aufgreift, hat er Chancen, die sechs Prozent-Hürde zum Einzug in den Landtag zu schaffen. Es muss eine bekannte, authentische Person aus Kärnten sein, kein Import aus Wien – also kein Peter Pilz oder Roland Düringer. Einen Kabarettisten haben wir in Kärnten ja schon (gemeint ist Holub, der einst in diesem Metier tätig war, Anm. d. Redaktion).

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