Teheran will wie Wien werden

Teheran Mai 2016
Iranische Hauptstadt nimmt sich bei der Lebensqualität Wien zum Vorbild.

In den Touristenhotels hört man den morgendlichen Ruf des Muezzins nicht. Das liegt nur zum Teil an den schalldichten Fenstern.

Teheran, die Metropole des Irans, startet scheinbar später als etwa Wien in den Tag. Wenn in Österreich die morgendliche Rush Hour zu Ende geht, geht sie in der zwölf Millionen Einwohner zählenden Stadt so richtig los. Und sie will bis in die Nachtstunden nicht enden.

Die iranische Hauptstadt überrascht im Mai ausländische Besucher in mehrfacher Hinsicht. Acht Mal größer als Wien fällt das saubere Straßenbild sofort auf. Obwohl nur unweit der Wüste gelegen, unterbrechen Grünanlagen die schier endlosen Häuserzeilen. In jeder Straße spenden dicht gedrängte Bäume viel Schatten. Auch wenn der Iran seit Jahren unter Trockenheit leidet, fließt zumindest in Teheran noch viel Wasser von den nahen Bergen.

Teheran will wie Wien werden
Iran, Isfahan
Die Teheraner geben sich nach außen nicht unbedingt wie das in einem islamischen Gottesstaat erwartbar ist. Im Gegensatz zum Land prägen Frauen im Tschador nicht das Straßenbild. Mit dem Kopftuch bedeckt und zum Teil stark geschminkt erfüllen die jungen Städterinnen gerade die Vorgaben des Regimes. Das hat auch zur Überwachung des Alkoholverbots zuletzt Tausende Wächter eingestellt.

Was im Straßenbild weitgehend fehlt, sind ausländische Touristen, auch wenn sich Teheran bemüht, die alten Schah-Paläste ins Rampenlicht zu rücken.

Blechlawine und Smog

Wäre da nicht der augenscheinlich ständig am Rande des Zusammenbruchs befindliche Verkehr, könnte man insgesamt meinen, hier gibt es wenige gravierende Probleme. Für 500.000 Autos ist das Straßennetz ausgelegt. Doch täglich wälzen sich fünf Millionen Fahrzeuge durch die Stadt. Der Smog im Winter liegt schwer über der Stadt.

Teheran will wie Wien werden
Häupl im Teheran
Die Teheraner Regierung hat jetzt den Ausbau der Öffis zum großen politischen Anliegen gemacht. 100 Kilometer U-Bahn sind im Bau. Nach dem Wegfall der ausländischen Sanktionen zu Jahresbeginn befindet man sich zudem auf der dringenden Suche nach Partnern und Investoren, um die Umweltprobleme in den Griff zu bekommen.

Davon konnte sich am Wochenende Bürgermeister Michael Häupl direkt überzeugen. Wien gilt im Iran als Musterstadt in Sachen Lebensqualität. "Ihre Verkehrssituation hätten wir gerne", sagten iranische Politiker.

Denn das aktuelle Schienennetz ist für die Mehrzahl der Teheraner keine Alternative. Bei den großen Satellitenstädten hat man bei der Errichtung an Öffis schon gar nicht gedacht.

Auch wenn sich zur Stunde viele ausländische Delegationen im erdölproduzierenden Land die Türklinke in die Hand geben, hat Österreich sehr gute Karten. Der Teheraner Bürgermeister Mohammad Ghalibaf, einst Befehlshaber der Luftwaffe der Revolutionsgarden und heute pragmatischer Stadtpolitiker, hätte gerne mehr Wiener Flair in seiner Stadt. "Bei uns ist die Erhöhung der Lebensqualität seit drei, vier Jahre ein großes Thema", erzählte er.

Projektsuche beginnt

Teheran will also wie Wien werden. Den ersten Schritt bildet die Unterzeichnung eines Arbeitsübereinkommens. Häupl – "die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt" – sucht aber nicht nur auf dem Sektor der Stadt-Umwelttechnologie den Schulterschluss. Wissenschaft und Forschung, Tourismus und ein verstärkter Kulturaustausch sind jetzt weitere Themen für die eingesetzte Arbeitsgruppe.

Teheran will wie Wien werden
Iran, Isfahan
Wie sehr man die Rolle Österreich und Wiens im Iran schätzt, bekam der Wiener Bürgermeisters bei allen Gesprächen zu hören. Höhepunkt war ein Treffen mit dem mächtig im Hintergrund agierenden Ex-Staatspräsidenten Akbar Rafsandjani.

Auch wenn sich der Wunsch iranischer Politiker nach erhöhter Präsenz österreichischer Firmen wie ein roter Faden durch die Gespräche zog, sind zwei Probleme zu lösen. Es fehlt die enge Zusammenarbeit von österreichischen und iranischen Banken. Und es braucht Visa-Erleichterungen. Die wesentlichste Voraussetzung machte Häupl aber seinen Gesprächspartnern klar. "Vertrauen ist für Investoren das Wichtigste." Und da sei jetzt der Iran wieder am Zug.

KURIER: Was hat Sie an Teheran besonders überrascht?

Häupl: Die ziemlich gut organisierte Stadt. Das war so nicht erwartbar. Und dass sich mit dem Fall der Sanktionen besonders im Bereich der Stadttechnologie eine Menge an Kooperationsmöglichkeiten ergeben.

Zum Beispiel?

Also das sind die ganz normalen Geschichten, wie der öffentliche Verkehr, die Müll- und Abwasserbeseitigung.

Das Treffen mit Rafsandjani war Höhepunkt der Reise. Warum?

Das ist eine Persönlichkeit des Nahen Ostens. Er ist zwar ein Kind seiner Welt, der aber auch weiß, dass die Welt größer ist als der Iran und der Islam.Reformpolitiker im Iran sind also an der Öffnung interessiert. Kann das in die Region mehr Stabilität bringen?

Das kann man nur hoffen. Fest steht, der Iran ist in der Region das einzige stabile Land. Wenn man auf die wechselseitige Feindpropaganda nicht hereinfällt, dann muss man das auch so sehen. Denn viele der Konflikte in Syrien, Irak und Afghanistan sind in hohem Ausmaß von außen bestimmt. Nachdem ich dafür stehe, Konflikte durch Verhandlungen zu lösen, ist die Entwicklung im Iran ein wichtiger Schritt.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass sich die Reformer dauerhaft durchsetzen?

Das wird davon abhängen, wie sich Menschen wie Rafsandjani durchsetzen.

Was kann Wien beitragen?

Das werden die weiteren Gespräche zeigen.

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