Tausend Hoffende und ein Sehender

Immerhin Salvatore Caputa ist sich sicher: Maria, die Gottesmutter, war wieder einmal im Kärntner Bad St. Leonhard. Ihren Vorbeiflug konnte zwar nur der Sizilianer wahrnehmen, doch das störte seine rund 1000 Anhänger aus Österreich und Italien nicht.
(Keine) Marienerscheinung: Lokalaugenschein in Bad St. Leonhard, wo "Gnadenwasser" geschöpft und von Wundern berichtet wird.

Das Wichtigste vorab: Die Gottesmutter Maria erscheint, wie angekündigt, am Samstag in Bad St. Leonhard im Kärntner Lavanttal. Aber erblicken kann sie nur der selbst ernannte Seher Salvatore Caputa, der das Spektakel halbjährlich inszeniert.

Wien, Graz, Hallein, Wels, Spittal, Tarvis, ja sogar Mailand – die Kennzeichen jener Pkw und Busse, die die Straßen des Ortes säumen, bezeugen, dass rund 1000 Gläubige, Skeptiker und Neugierige Zeugen eines Wunders sein wollen. Bereits in den Mittagsstunden schlendern sie mit Klappsesseln ausgerüstet zum Schlossberg, wo zum 14. Mal die Gottesmutter erscheinen soll.

Pfarrer Walter Oberguggenberger beobachtet den Pilgerstrom. "Was hier passiert, hat mit Marienverehrung nichts zu tun. Ich empfehle den Menschen immer, dieser kirchlich nicht anerkannten Inszenierung fernzubleiben, doch sie kommen erneut", meint er und zieht sich kopfschüttelnd zurück.

50 Meter neben Kirche

Tausend Hoffende und ein Sehender
Marienerscheinung, Bad St. Leonhard, Maria
Die Showbühne überlässt er Caputa: 71-jähriger Ex-Polizist und Nebenerwerbslandwirt aus Sizilien, der seit seiner Jugend die Madonna sieht; seit Mai 2010 im Halbjahrestakt hier in Bad St. Leonhard, nicht einmal 50 Meter vom Gotteshaus entfernt. Ab 13 Uhr stehen Caputas Anhänger Schlange, um an einem zweiten Wunder teilhaben zu können. Dem sogenannten "Gnadenwasser" aus dem nahen Bach sagt man heilende Kräfte nach. Behinderte Kinder werden in ihren Rollstühlen zu einem Schlauch geschoben, aus dem das Quellwasser direkt bezogen werden kann.

Berichte von Kinderwünschen, die sich nach dem Konsum des Wassers ausgerechnet zu Mariä Empfängnis erfüllt haben, sowie von anderen Heilungen machen die Runde. "Bei mir wurde vor sechs Jahren Darmkrebs diagnostiziert, die Ärzte wollten zehn Zentimeter Darm entfernen. Ich habe stattdessen dem Wasser vertraut, gelte heute als geheilt", erzählt Konrad Melcher aus Bad St. Leonhard. In Fläschchen, Flaschen oder Kanistern füllen die Menschen das Wunderwasser ab. "Auch für die Lieben daheim", betont Elfriede Schottl aus Wien.

Messe vor Madonna

"Keine Standln, kein Kommerz, lautet unser Motto", betont Bürgermeister Simon Maier (SPÖ), selbst ein "Gläubiger." Am Schlossberg liest Ernst Pöschl, Seelsorger aus Eisenstadt, eine Messe – quasi "Vorprogramm" der Madonnen-Ankunft.

Nervosität macht sich unter den Besuchern breit, die sich um das extra errichtete Kreuz Jesu, die sechs Marienstatuen und ein in der Wiege liegendes Jesukind scharen. Jeder will die Figuren zumindest kurz berühren. Die Brüder Johann und Franz Leichtfried aus Ybbsitz, Bezirk Amstetten, waren schon im April hier. "Mein Tinnitus ist deutlich besser geworden. Es ist nicht mein Anspruch, Maria zu sehen. Ich will die Energie dieses Ortes spüren und den Rosenduft riechen, der mit der Erscheinung einhergeht", berichtet Johann.

Der Höhepunkt des Tages ist kurz und unspektakulär: Caputa sinkt um 16.23 Uhr vor dem Marienkreuz auf die Knie, betet, richtet den Blick gen Himmel, dreht den Kopf und winkt ins Nichts. Die angeblich vorbeifliegende Gottesmutter sieht nur der Signore. Auch der Rosenduft ist beim besten Willen nicht zu erschnuppern.

Caputa spricht kein Wort, eine Moderatorin fordert über das Mikrofon: "Tun wir alle der Maria nachwinken." Die Menschen gehorchen.

Johann Simonitsch aus Graz nimmt das Spektakel mit Humor: "Jetzt geh’ ich runter zum Geiger-Wirt. Dort arbeiten zwei Kellnerinnen, die zumindest mit zweitem Vornamen Maria heißen. Ich hoffe, sie werden mit einem Bier erscheinen." Für die Übrigen bleibt die Hoffnung, dass das Wunder das nächste Mal für alle sichtbar sein werde – im April 2017.

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