Tatausgleich bei jungen Tätern immer seltener

Meistens werden Körperverletzungen bereinigt
Rückgang: Nur 13 Prozent Rückfallrate, trotzdem vertrauen Staatsanwälte nicht auf dieses erfolgreiche Modell.

In der Disko rittern zwei Burschen, unter reichlich Alkoholeinfluss, um die Gunst eines Mädchens. Die Sache artet aus, der eine schlägt dem anderen ein blaues Auge. Für den Schläger kann das eine empfindliche Geldstrafe, eine bedingte oder im Wiederholungsfall sogar eine unbedingte Gefängnisstrafe zur Folge haben.

Die Alternative ist der Tatausgleich, den es seit 1985 für Jugendliche (und seit 1999 auch für Erwachsene) gibt. Sozialarbeiter vom Bewährungshilfe-Verein Neustart bringen Täter und Opfer zusammen, um eine Bereinigung samt (auch finanzieller) Wiedergutmachung zu erzielen. Die Wirkung ist weitaus stärker als bei den Strafen, das Opfer fühlt sich ernst genommen, die Rückfallrate bei den Tätern liegt mit rund 13 Prozent deutlich unter der aller anderen gerichtlichen Reaktionen bei jugendlichen Straftätern (über 50 Prozent).

Trotzdem gehen die Zahlen jener jungen Beschuldigten, die vom Staatsanwalt (selten auch vom Richter) zum Tatausgleich zugewiesen werden, rapide zurück: Gab es 1997 in ganz Österreich noch 2727 Fälle, waren es im Vorjahr nur noch 686. Wobei der Osten am schlechtesten abschneidet: Ein Viertel der jugendlichen Tatverdächtigen kommt aus Wien (6244), aber 2015 gab es nur für 81 Jugendliche Tatausgleich.

Laut Bernhard Glaeser von Neustart liegt das auch daran, dass selbst Staatsanwälte das Bild im Kopf haben: "Tatausgleich ist eine Wohltat für Täter, sie müssen dem Opfer nur die Hand geben und die Sache ist erledigt." Staatsanwälte schicken die Täter lieber zu gemeinnützigen Leistungen, wo sie "richtig" arbeiten müssen – die Zahlen gehen hier aber, wie berichtet, ebenfalls zurück – oder stellen Strafantrag.

"Dabei ist der Tatausgleich auch Arbeit", sagt Glaeser, "nicht mit der Schaufel in der Hand, aber man kriegt unangenehme Fragen und muss sich dem Opfer stellen." Der Verprügelte schildert von seinen Albträumen, in denen er die Szene immer wieder vor sich hat: Er feiert ausgelassen, und plötzlich sieht er Sterne. Oder dass er mit dem blauen Auge in die Arbeit gehen musste und dort alle über ihn dachten, er sei ein Schläger.

Bereinigung

"Wobei die Opfer keine Alibientschuldigung wollen", sagt Glaeser: "Der Täter muss sich wirklich damit auseinandersetzen und dem Verletzten erklären, warum gerade er als Opfer ausgesucht wurde." Bei "blinder Gewalt" funktioniert das Modell nicht so gut, "aber wo Konflikte zu Eskalationen geführt haben, lässt sich dadurch etwas bereinigen" (Glaeser). 66 Prozent aller Tatausgleich-Verfahren betreffen leichte Körperverletzungen, gefolgt von Sachbeschädigung (7,7 Prozent) und gefährlicher Drohung (6,2 Prozent).

In 85 Prozent aller Fälle gelingt der Ausgleich. "Und manchmal verabreden sich Leute, die sich vorher nicht riechen konnten, auf ein Bier", erzählt Glaeser.

Kommentare