"Tal des Todes" – alte Wunden können nicht heilen

Die Bevölkerung lässt bei Informationsveranstaltungen Dampf ab
Schwer belastet ist die Bevölkerung nicht nur durch HCB. Noch immer sterben viele Menschen an Asbestose.

Klein St. Paul im Görtschitztal. Der Rauch, der den Ofen des Zementwerks verlässt, vermischt sich mit dem Nebel. Dieser hängt seit Wochen hartnäckig und tief über dem Tal. Er spiegelt die Stimmung in der Bevölkerung wider.

Und die ist angesichts des Umweltskandals um Hexachlorbenzol von Wut bestimmt. Wut auf die Verantwortlichen des Zementwerks, die die Giftstoff-Emissionen zumindest in Kauf genommen haben. Wut auf Behörden und Politiker, die seit März von der HCB-Belastung wussten. Der Tenor lautet: den Ruf als "Tal des Todes" werde man wohl nie los.

Die Straßen in Klein St. Paul sind leer. Früher kamen Touristen, heute sind höchstens Journalisten unterwegs. Die Einheimischen treffen sich in den Cafes und Kneipen, lassen Dampf ab. "In der Politik wird gepackelt und geschmiert. Wenn ein Politiker ertappt wird, kommt er sowieso nicht für den Schaden auf", sagt Joachim Zechner vom Gasthaus König.

"Tal des Todes" – alte Wunden können nicht heilen
Im Visier der Görtschitztaler stehen primär Beate Prettner (SPÖ), die den Bescheid zum Verbrennen 2012 ohne Kontrollauflagen genehmigt hat, Wolfgang Waldner (ÖVP), der von erhöhten HCB-Werten wusste, aber weder Regierungskollegen noch seinen Nachfolger, Christian Benger, informierte. Und Rolf Holub (Grüne), der als Umweltlandesrat in der Kritik steht. "Herr Holub, Sie müssten Ihr Gehalt zurückzahlen", tobt Johann Osmalz aus Brückl bei einer Informationsveranstaltung.

Im Café Puckl in Klein St. Paul gehen allabendlich die Emotionen hoch. "Es ist eine Schweinerei, dass alles verschwiegen wurde", sagt die Angestellte Stefanie Pfaffenberger stellvertretend für viele. "Hilf dir selbst" sei das Motto der Bürger. "Während in Büros geredet wird, gehen im Görtschitztal Existenzen zugrunde", warnt Landwirt Udo Scheriau. Er fragt: "Wie will uns die Politik helfen, wenn klar wird, dass unsere Kinder krank sind?"

Die Frage nach gesundheitlichen Folgen der HCB-Belastung reißt Wunden auf. Es sind gar nicht alte Wunden, denn noch immer sterben viele Menschen an Asbestose, die durch eingeatmeten Asbest-Staub entstand.

Ein paar Hundert Meter südlich der jetzigen Zementfabrik stand einst das Durit-Werk, in dem bis 1977 Asbest zu Dachplatten und Rohren verarbeitet wurde. Anfangs ohne Atemschutz, ohne Informationen über den krebserregenden Stoff. "Viele Arbeiter sind nach wenigen Jahren an Asbestose gestorben – auch junge Leute. Und relativ rasch war vom Tal des Todes die Rede", erzählt Rosemarie Hainig aus Klein St. Paul.

Höhepunkt 2015

Der Friedhof des Ortes sei voll mit Opfern dieser Krankheit, erzählt man sich. Gemunkelt wird, dass die Asbestose-Sterblichkeitsrate im Jahr 2015 ihren Höhepunkt erreichen und dann wieder abflachen soll. Die Rede ist von "Altlasten" – und doch ist der Asbest allgegenwärtig in dieser Gegend, wie Reinhold Gasper bestätigt. "Asbest wurde als Dämmmittel in Häusern verwendet, Gartenwege wurden damit gebaut", weiß der Klagenfurter Grün-Gemeinderat. Der 75-Jährige arbeitete einst als Obermonteur im Durit-Werk. "Asbest ist in Jutesäcken aus Russland oder Südafrika im Görtschitztal angekommen. Die Leute haben Getreide und Gemüse darin aufbewahrt", so Gasper.

Seit Jahren ist der Bezirk St. Veit für die hohe Krebsrate bekannt. Die Presse und Statistik Austria werteten das österreichische Krebsregister aus, in dem bösartige Neuerkrankungen erfasst sind. Im Bundesschnitt werden jährlich pro 100.000 Einwohner 265 bösartige Neuerkrankungen registriert. In Kärnten sind es 313, im Bezirk St. Veit 344.

Imageschaden

Für die Bevölkerung sind diese Tatsachen nur mit der Asbest-Vergangenheit zu erklären. Gasper: "Viele Frauen sind an Asbestose gestorben, obwohl sie nur die Arbeitskleidung ihres Mannes gewaschen haben." Kein Wunder also, dass aufgrund der vergifteten Umwelt auch das Vertrauen in Unternehmen oder in die Politik vergiftet ist. "Das hat zur Folge: Das Image als Tal des Todes werden wir nicht mehr los", befürchtet Rosemarie Hainig.

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