Tabakgesetz: Brisantes Mail des Ministeriums

Seit 31. Juli 2013 ist es laut einer VwGh-Erkenntnis für Nichtraucher nicht mehr zumutbar, durch Raucherbereiche gehen zu müssen. Gastronomen fühlen sich hinters Licht geführt.
Wirt klagt Republik: Anschluss-Verfahren könnte Staat Millionen Euro kosten.

Auf Worte folgen jetzt Taten: Am Dienstag reichte der Wiener Gastwirt Heinz Pollischansky, 50, (Stiegl Ambulanz, Centimeter) Schadenersatz-Klage gegen die Republik ein.

Vertreten durch Rechtsanwalt Wolfgang Zorn wurde dem KURIER am Mittwoch ein brisanter Schriftverkehr zugespielt. Konkret handelt es sich um eine Anfrage der Wirtschaftskammer Österreich an das Gesundheitsministerium aus dem Jahr 2008 (siehe Faksimile).

Darin wollte die Interessensvertretung von 50.000 Gastronomiebetrieben wissen, ob es Nichtrauchern zumutbar wäre, auf dem Weg zu den Toiletten durch den Raucherbereich zu gehen.

Tabakgesetz: Brisantes Mail des Ministeriums

Franz Pietsch, hoher Beamter im Ministerium und Architekt des umstrittenen Tabakgesetzes, antwortete folgend: „Wenn nunmehr der Hauptraum (Nichtraucher, Anm. der Redaktion) jedoch so gelegen ist, dass Gäste auf ihrem Weg dorthin oder beispielsweise auch zu sanitären Anlagen kurz den Raucherraum zur Durchquerung betreten müssen, so erscheint dies zumutbar ...“

Der Fachverband Gastronomie nahm die ministerielle Rechtsauskunft als Basis zur Information ihrer Mitglieder. Am 1. Jänner 2009 trat schließlich der Nichtraucherschutz in der Gastronomie in Kraft. Tausende Wirte zogen Wände, Glastüren und Lüftungen in ihren Lokalen ein. Die Branche investierte 100 Millionen Euro in die Umbauten.

30.000 Euro vom Staat

Darunter auch Republik-Kläger Pollischansky: „Mich kosteten die Umbauten etwa 30.000 Euro. Die will ich jetzt vom Staat zurück.“

Grund: Im Sommer kippte der Verwaltungsgerichtshof (VwGh) das Gesetz. Seit 31. Juli 2013 ist es laut einer VwGh-Erkenntnis für Nichtraucher nicht mehr zumutbar, durch Raucherbereiche gehen zu müssen. Viele Umbauten waren plötzlich nutzlos. Betroffen davon sind 12.000 Gastronomen. Natürlich fühlt sich auch die Wirtschaftskammer (WKO) hinter das Licht geführt.

Deren Gastro-Chef Helmut Hinterleitner unterstützt daher die Klage gegen die Republik: „In Österreich muss es Rechtssicherheit geben. Wo kommen wir denn hin, wenn man sich auf Rechtsauskünfte des Ministeriums nicht mehr verlassen kann.“

Der zugespielte Schriftverkehr gilt daher als starker Tobak. Selbst die Sprecherin des Gesundheitsministers, Lisa Fuchs, räumte Mittwoch ein: „Das Erkenntnis des VwGh hat auch uns überrascht.“ Minister Stöger selbst sieht der Klage „gelassen entgegen“, ließ aber ausrichten, „während der Koalitionsverhandlungen zu aktuellen Polit-Themen nichts sagen zu dürfen.“

Eine Polizei-Anzeige gegen einen Wiener Wirten verunsichert jetzt die gesamte Gastrobranche sowie Zigtausende rauchende Lokalbesucher.

Mittwoch, den 14. August, um 0.30 Uhr standen sieben Gäste vor dem spanischen Restaurant Lobo y Luna in Wien-Neubau an einer eigens aufgestellten Raucher-Insel. Die Männer qualmten Zigaretten und hatten ihre Gläser aus dem Lokal mit heraus auf den Gehsteig genommen. Auf Streife befindliche Polizisten blieben stehen, sprachen vor dem Restaurant mit dem Inhaber und verhängten schließlich eine Strafverfügung. Kürzlich trudelte bei Gastronom Clemens Chalupecky die Zahlungsaufforderung von 49 Euro ins Haus.

Tabakgesetz: Brisantes Mail des Ministeriums

„Damals begann mit den Beamten eine Diskussion um die Schanigarten-Öffnungszeiten. Der war um 0.30 Uhr aber schon geschlossen. Die Gäste dürfen im Lokal nicht rauchen und haben eben vor der Türe gequalmt. Sie hatten ihre Getränke mit.“ Die Anzeige erfolgte wegen einer Übertretung des Paragrafen 82 StVO (Gewerbsmäßige Erweiterung auf öffentlichem Grund). Chalupecky kann das nicht akzeptieren: „Egal, ob im oder vor dem Lokal geraucht wird, es hagelt Strafen.“

Allerdings gilt in diesem Fall nicht das Rauchen als Auslöser der Anzeige. Die Gäste hätten (weil Gastgarten geschlossen) die Gläser nicht auf den Gehsteig mitnehmen dürfen. Der verärgerte Wirt erhob Montag gegen die Strafe – unterstützt von einem Juristen der Wirtschaftskammer – Einspruch.

Lokalaugenschein

„Das ist das Recht jedes Bürgers. Aber der Gastwirt ist dafür verantwortlich, dass vor seinem Lokal bestehende Gesetze eingehalten werden“, erklärt die zuständige Bezirksamtsleiterin Irene Krasa-Oppholzer.

In den kommenden Monaten wird der Fall noch einige Beamte beschäftigen. Denn Bezirksamtsleiterin Krasa-Oppholzer hält sogar einen Lokalaugenschein für sinnvoll: „Eigentlich ein großer Aufwand für eine eher kleine Sache.“ Das sieht Peter Dobcak, Wirtschaftsbund-Obmann der Gastronomie, anders: „Ein Präzedenzfall, den wir nicht akzeptieren. Im Klartext heißt das, dass Gäste zu später Stunde nicht mehr auf die Straße rauchen gehen dürfen.“

Die Wirte kritisieren auch die Polizei. Tenor: „In diesem Fall hätte eine Abmahnung gereicht. Viele von uns kennen das Gesetz nicht.“ Polizeisprecher Hans Golob dazu: „Bei geringfügigem Verschulden sowie unbedeutender Übertretung sind Abmahnungen möglich. Die Entscheidung liegt aber beim Beamten.“

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