Polizisten im Visier der IS-Terrormiliz

87 fronterprobte Kämpfer in Österreich. IS-Aufruf: "Bringt den Dschihad in Länder, wo ihr wohnt". IS-Heimkehrer werden überwacht.

"Kommt nicht mehr in die Kriegsgebiete, bringt den Dschihad in die Länder, wo ihr lebt!" Dieser Aufruf der IS-Strategen ankert in den jüngsten militärischen Niederlagen der Terrormiliz in Syrien und dem Irak. Der eindeutige Befehl erhöht das Terror-Risiko in Europa und damit auch in Österreich.

Nicolas Stockhammer, Terror-Experte der Uni-Wien, bestätigt: "Wir befinden uns in einer Umbruchphase. Der IS-Terror verschiebt sich, die Priorität liegt dabei weiterhin auf weichen Zielen, also großen Menschenansammlungen in Europa."

Wie sensibel die aktuelle Lage ist, zeigt eine Anordnung des Innenministeriums an alle Landespolizeidirektionen (siehe Faksimile).

Polizisten im Visier der IS-Terrormiliz
Darin wird gewarnt, dass Polizisten, Polizei-Einrichtungen und der Fuhrpark der Exekutive zum Ziel terroristischer Angriffe werden können. In den sozialen Netzwerken tauchten seit April Postings von der IS-Medienabteilung Furat auf, in denen zur Tötung von Polizisten in Europa aufgerufen wurde. Dieses Szenario befeuerte in Österreich die Diskussion, ob sich Beamte in ihrer Freizeit bewaffnen dürfen. Noch gibt es zu diesem Thema weder einen Erlass, noch eine politische Entscheidung.

Europäische Nachrichtendienste gehen davon aus, dass der Islamische Staat die Strategie verfolgt, je stärker er in seinen Kerngebieten Syrien und Irak bedrängt wird, eine Serie von Anschlägen gegen Menschenansammlungen im Westen zu versuchen, um damit größtmögliche Panik zu erzielen.

Unter Beobachtung

Auch Peter Gridling, Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, schließt nicht aus, dass vermehrt fronterfahrene Kämpfer aus Syrien und dem Irak nach Österreich zurück kommen: "Bis dato sind 87 Personen aus dem Kriegsgebiet nach Österreich eingereist. Sie sind im Bundesgebiet aufhältig. 50 Personen konnten wir an der Ausreise ins Kriegsgebiet hindern."

Derzeit sind bundesweit 280 Dschihadisten lokalisiert und werden von den Behörden überwacht. Die Instrumentarien reichen dabei von der seit heuer eingeführten Meldepflicht bei Polizei-Dienststellen über Observationen bis hin zur Telefon- und Internet-Überwachung. Die Staatsanwaltschaft entscheidet über die jeweiligen Maßnahmen.

Laut Justizministerium sitzen 52 Menschen aus 14 Nationen wegen Terror-Aktivitäten in U-Haft (35), der Rest in Strafhaft. Davon sind 19 Personen russische Staatsbürger, zehn Österreicher und sechs Syrer. Aufgeschlüsselt nach Bevölkerungsdichte liegt Österreich im EU-Vergleich mit 150 Dschihad-Kämpfern – auch Foreign Fighters genannt – an vierter Stelle. Spitzenreiter ist Frankreich (1550), gefolgt von Belgien (440) und Dänemark (150).

Eine parlamentarische Anfrage des Team Stronach an Innenminister Wolfgang Sobotka beschäftigte sich mit der Frage, ob im Asylverfahren befindliche Foreign Fighters der Asylstatus aberkannt wird. Sobotkas Antwort: "Gemäß den asylrelevanten Bestimmungen ist ein zuerkannter Schutzstatus abzuerkennen, wenn der Statusberechtigte eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellt oder straffällig geworden ist." Dann droht die Abschiebung.

Seit dem Start im Dezember 2014 wurde die Extremismus-Hotline des Familienministeriums bis Ende August 2016 bundesweit 1586-mal angewählt, darunter waren 900 Erstanrufe. Zusätzlich haben 82 Familienmitglieder ein persönliches Gespräch in der Beratungsstelle angenommen. Heuer gab es bereits 614 besorgte Anrufe, darunter waren 316 telefonische Erstkontakte.

Die größte Sorge der Anrufer ist der Verdacht auf islamistischen Fundamentalismus. Nur ein geringer Teil der Anrufe betreffen rechtsextremistische Einstellungen. Weiter Themen sind der Verdacht auf terroristische Aktivitäten, rassistische Äußerungen, Postings zu Gewaltvideos sowie die Meldung verdächtiger Internet-Seiten.

Die Beratungsstelle Extremismus (0800/202044, Mo.–Fr., 10–15 Uhr) steht bereit, wenn Angehörige, Freunde, Lehrer oder andere Bezugspersonen den Eindruck haben, das Kinder oder Jugendliche sich einer extremistischen Gruppierung angeschlossen haben könnten. Auch bei einer schleichenden Radikalisierung gilt diese Hotline als Anlaufstelle.

Häufig melden sich im Zusammenhang mit radikalem Islamismus die Eltern der betroffenen Jugendlichen. Neben der telefonischen Beratung stehen auch Situationsanalysen und Coaching der Betroffenen zur Verfügung.

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