Weihnachten lieber im Häfen

Christbaum im Gefängnis, Weihnachtsstimmung kommt kaum auf.
Ernst Strasser dürfte wie Tausende Häftlinge daheim feiern, bleibt aber in der Zelle.

Der zu drei Jahren Haft verurteilte ehemalige ÖVP-Innenminister Ernst Strasser könnte den Heiligen Abend und die nachfolgende Nacht beschaulich und bequem daheim bei seiner Lebensgefährtin verbringen. Versteht man unter "daheim" sein Haus in Bad Ischl, könnte der 58-Jährige wegen der längeren Fahrzeit sogar noch die Weihnachtsfeiertage in Freiheit genießen. In der Adventzeit 2013 wurde er zuletzt in der Kaiserstadt gesichtet, damals flanierte er zwischen den Standeln auf dem Wochenmarkt.

Weihnachten lieber im Häfen
Schwer verletzt: Der ehemalige Politiker wird in einem Spital in Wien behandelt. Die Suche nach dem unbekannten Täter läuft auf Hochtouren
Doch Ernst Strasser, der erst vor wenigen Wochen seine dreijährige Gefängnisstrafe in der Justizanstalt Wien-Simmering angetreten hat, bleibt lieber freiwillig in seiner Zelle. "Er will keine Extrawurst", sagt sein Anwalt Thomas Kralik.

Dabei steht jedem "nicht besonders gefährlichen Strafgefangenen", dessen Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt, nach dem Strafvollzugsgesetz zwei Mal im Vierteljahr ein Häfenausgang von bis zu 48 Stunden zu. Rund 7000 Häftlinge pro Jahr (plus 12.000 im gelockerten Vollzug und 14.000 im Entlassungsvollzug) nutzen dieses Recht "zur Aufrechterhaltung familiärer oder sonstiger persönlicher Bindungen", viele davon zu Weihnachten.

"Aber die wenigsten Leute wissen das", sagt Kralik: "Herr Strasser will vermeiden, dass man ihn in Freiheit sieht und es dann heißt: Wieso ist der schon heraußen?"

Den Ex-Fußballpräsidenten Hannes Kartnig stört das weniger: Er reizte seine Genehmigung zum Ausgang aus dem elektronisch überwachten Hausarrest mit Opernpremiere und Geburtstagsfeier im Nobelhotel aus, was die Abnahme der Fußfessel zur Folge hatte. Ein Häfenurlaub über Weihnachten kommt für Kartnig, der in der Justizanstalt Graz-Jakomini einsitzt, wegen der zum Teil noch nicht rechtskräftigen mehrjährigen Haftstrafen nicht in Betracht.

Strasser, Kartnig und Co. können am 24. Dezember vormittags einen einstündigen "Tischbesuch" von ihren Lieben bekommen. Mitbringen dürfen die Besucher nichts, die Gefangenen können sich beim Häfengreissler selbst mit Keksen eindecken.

Besuch aus Spanien

Die zu lebenslanger Haft verurteilte Doppelmörderin Estibaliz Carranza bekommt keinen Ausgang, aber am 23. Dezember Besuch von ihrem Ehemann, dem gemeinsamen kleinen Sohn und ihrer Mutter aus Spanien. Am 24. Dezember ist im Frauengefängnis Schwarzau, NÖ, kein Besuch möglich.

Ein unbewachter Langzeitbesuch über Nacht mit ihrem Mann wurde Estibaliz Carranza bisher noch nie genehmigt. Immerhin hat die ehemalige Eissalon-Betreiberin einen Ehemann und einen Lebensgefährten erschossen, zerteilt und im Keller einbetoniert.

33 Strafgefangenen kommt heuer die Weihnachtsbegnadigung durch den Bundespräsidenten zugute.

Vor zehn Jahren wurden noch 300 bis 400 Häftlinge zu Weihnachten gnadenhalber aus dem Gefängnis entlassen, mittlerweile gibt es mehr Amnestien während des Jahres. Mangels Betreuungskapazitäten (siehe Zusatzbericht unten) ist die stillste Zeit im Jahr auch der denkbar schlechteste Zeitpunkt für eine Entlassung aus der Haft.

Weihnachten im Gefängnis, das ist dort ein Tag wie jeder andere auch. Die Feiern finden schon in der Woche davor statt, wie zum Beispiel in der Schwarzau. Ehrengäste, Mitarbeiter, Insassen können am 18. Dezember einen gemeinsamen katholischen, evangelischen und islamischen Gottesdienst besuchen, dann gibt es Blasmusik und Kinderpunsch. Rund 90 der insgesamt 150 inhaftierten Frauen dürfen über Weihnachten nach Hause gehen. Auch in Simmering wird ein Weihnachtsmarkt mit Standeln im Gefängnishof aufgebaut. Rund 20 Prozent der etwa 500 Insassen dürfen Weihnachten daheim feiern.

Für 33 Gefangene öffnen sich dank Weihnachtsamnestie die Gefängnistore dauerhaft. Die verhängte Strafe darf nicht höher als fünf Jahre und die Hälfte muss bereits verbüßt sein. Einige Delikte sind ausgeschlossen, wie Sexualstraftaten, absichtliche Körperverletzung, Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz, Fahrerflucht nach tödlichen Verkehrsunfällen. Vor zehn Jahren wurden noch 300 bis 400 Häftlinge zu Weihnachten gnadenhalber aus dem Gefängnis entlassen, mittlerweile gibt es mehr Amnestien während des Jahres.

Der Bewährungshilfe-Verein Neustart kritisiert schon seit Jahren, dass Weihnachten ein ungeeigneter Zeitpunkt für Begnadigungen ist, weil keine professionelle Entlassungsvorbereitung durchgeführt werden kann. Die Amnestie funktioniert zwar wie eine bedingte Entlassung mit dreijähriger Probezeit, aber ohne Anordnung der Bewährungshilfe. Die am 17. Dezember Entlassenen bekommen nur Betreuung, wenn sie von sich aus eine Einrichtung von Neustart aufsuchen.

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