Aufstand gegen das neue Strafrecht
Vergangene Woche endete die Begutachtungsfrist für das vom Justizministerium vorgestellte Strafrechtsänderungsgesetz, das am 1. 1. 2016 in Kraft treten soll. Vor allem die neu eingeführten Sexualdelikte rufen bei Praktikern und Gelehrten heftigen Widerstand hervor. Pograpschern sollen bis sechs Monate Haft drohen. Und wer geschlechtliche Handlungen unter Ausnützung einer Zwangslage vornimmt, hat mit bis zu zwei Jahren Gefängnis zu rechnen.
Kritik der Uni
Protest der Richter
Auch die milderen Höchststrafen für Wirtschaftskriminelle bis zu einem Schaden von 500.000 Euro werden wegen des "Bagatellisierungseffekts" und der Vermögensdelikte prominenter Beschuldigter als falsches Signal abgelehnt.
Dass die Maßnahmen unter dem Begriff Opferschutz angepriesen werden, ruft auch die Linzer Staatsanwälte auf den Plan. Sie kritisieren, dass Opfer um die Möglichkeit gebracht werden, in die Bearbeitung des Vorfalles eingebunden und zufriedengestellt zu werden. Das sei "sicher nicht im Interesse der Opfer", sagt der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Andreas Venier, weil diese mit ihren Sorgen im klassischen Strafprozess oft auf der Strecke blieben.
Klagen der Anwälte
Der Verein Neustart vermisst von der Strafrechtsreform einen Impuls zur Entlastung der Gefängnisse und schlägt eine Halbierung der Höchststrafen, insbesondere bei den Vermögensdelikten, vor. Trotz der seit Jahren sinkenden Gesamtzahl der Verurteilungen steigt jene der Häftlinge ständig. Im Jahr 2000 saßen im Schnitt 7000 Personen im Gefängnis, 2013 waren es fast 9000.
KURIER: Ist die Strafrechtsreform ge- oder misslungen?
Teile sind gut, Teile sind schlecht. Als Prüfer würde ich den Kandidaten durchfallen lassen, weil einzelne Teile so schlecht sind. Zum Beispiel die Erschwerungsgründe, die sind misslungen. Und die Diversion, es ist keine Ausdehnung – es ist das Gegenteil davon.
Durchaus. Aber insgesamt ist es eine Novelle und nicht mehr. Kein neues, modernes Gesetz, wie im Vorblatt gleichsam als Werbung behauptet wird.
Machen Richter nicht ohnehin, was sie wollen? Stichwort Ost-West-Gefälle.
Richter im Westen lernen anhand der Praxis im Westen, also wie Kollegen bei vergleichbaren Fällen Strafen bemessen, jene im Osten lernen das bei ihren Kollegen. Das kann man über Strafrahmen nie ändern – überhaupt ist Strafzumessung immer eine Entscheidung des Einzelfalls.
Kommentare