Steiermark: Freitod ohne ersichtliches Motiv

Mitschüler und Lehrer trauern mit Thomas' Familie
Der zwölfjährige Thomas starb nach Fenstersprung in den Schulhof im Spital.

Das Fenster im zweiten Stock steht offen. Darunter stehen Kerzen; Blumen und Stofftiere liegen auf dem Asphalt. Gestern Früh haben Mitschüler mit Kreide "We miss you" auf den Boden geschrieben, ein großes Herz gemalt und Thomas’ Namen ganz dick in bunten Farben geschrieben: Der Bub starb am Montag nach einem Sprung aus dem zweiten Stock seiner Schule. Thomas wurde nur zwölf Jahre alt.

Die Polizei hat die Ermittlungen im Grunde abgeschlossen. Man geht von einem Suizid aus: Es gibt keine Spuren, die auf anderes deuten könnten, etwa dass der Schüler einer zweiten Klasse der AHS Bruck an der Mur vielleicht gestoßen worden sein könnte oder einfach aus dem Fenster gefallen ist – dafür ist die Brüstung zu hoch.

Es bleibt wohl nur der Freitod, den Thomas gewählt haben dürfte. Warum? Direktor Anton Wieser verweist auf den Landesschulrat, er darf nichts mehr zu dem tragischen Fall sagen. Er war es, der den Buben am Montag fand – schwer verletzt, aber am Leben. Zu Mittag starb Thomas jedoch in der Grazer Kinderchirurgie.

Gestern waren Helfer des Kriseninterventionsteams an der AHS, um Mitschüler zu betreuen. In der Klasse und in der Aula wurden Fotos von Thomas aufgestellt, daneben liegen Kondolenzbücher. Kinder und Jugendliche, die es wollen, können sich dort eintragen, einige haben auch kleine Briefchen in eine Vase gesteckt. "Es ist wichtig, unmittelbar danach mit den Schülern zu arbeiten", erläutert Josef Zollneritsch, Psychologe im Landesschulrat. "Aber es ist auch wichtig, rasch in den Alltag zurückzukehren." Tanzveranstaltungen und Schularbeiten, die gestern geplant waren, wurden abgesagt. Ansonsten wurde der Unterricht aber so normal wie möglich abgehalten.

Positives Zeugnis

Bleibt die Frage nach dem Motiv. So viel ist bekannt: Thomas war kein schlechter Schüler, er hätte das Schuljahr positiv abgeschlossen. Mahnung gab es keine, auch keine Auffälligkeiten. In der Klasse sei er eingebunden gewesen, heißt es. Sein älterer Bruder besucht die selbe AHS. Mobbing, Depressionen oder Schulangst wurden rasch in einigen Medien kolportiert, ließen sich durch erste Ermittlungsergebnisse aber nicht bestätigen.

Psychologe Zollneritsch verweist darauf, dass zehn bis fünfundzwanzig Prozent aller Menschen mit unterschiedlichen psychischen Problemen zu kämpfen hätten. Diese zu erkennen sei für Laien kaum möglich: "Solche Vorgänge können in der Regel von Pädagogen nicht erkannt werden. Und auch nicht von den Eltern."

Warnzeichen seien, wenn sich, ein Kind sichtlich verändere, sich selbst verletze oder magersüchtig werde, zählt Zollneritsch auf. Doch Thomas war, wie es Direktor Wieser am Montag beschrieb, ein liebenswerter, unauffälliger Bub.

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