Sommerfrische im Höhenflug

Vom Rad ins Bad. Kärnten punktet nicht nur mit Wasseraktivitäten.
Der Boom im heimischen Tourismus hat viele Gründe. Ein Rekordsommer kündigt sich an

Schauplatz Klagenfurter Strandbad: Die Besucher frequentieren die Stege, vergnügen sich im Wasser oder gönnen sich ein "Kühles Blondes". Das Bad ist stets gut besucht, aber nie voll. 12.000 Menschen, gelegt wie Ölsardinen, hätten hier theoretisch Platz; im Sommer 2017 wurde der Rekordwert letzten Dienstag registriert und lag bei 8173 Gästen.

Schauplatz Nassfeld, das bekannte Skigebiet in Oberkärnten. Dort nutzen im Winter an Spitzentagen 15.000 Skifahrer die Bergbahnen zum Wandern, Klettern, Biken oder Sommerrodeln. Seit zehn Jahren erst haben diese auch im Sommer geöffnet; zu Recht, wie die Zahlen beweisen: 2017 zählt man bis zu 7000 Touristen täglich.

Die Seen des südlichsten Bundeslandes haben zwar immer noch enorme Anziehungskraft. Aber: "Der Kärnten-Urlauber liegt nicht mehr den ganzen Tag am See", weiß Strandbad-Chef Gerald Knes. "Quer durch alle Alters- und Berufsklassen wird der Aktivurlaub gesucht. Action ist am Vormittag gefragt, um 14 Uhr geht’s vielleicht noch ins Bad", skizziert Markus Brandstätter vom Nassfeld-Tourismus die Gästewünsche.

Kärnten erfüllt sie offenbar. Um 12,6 Prozent mehr Übernachtungen stehen heuer in der Vorsaison zu Buche, um 15,6 Prozent mehr Ankünfte – damit erzielte das Bundesland das beste Ergebnis seit 1970 und war Zuwachs-Kaiser im Ländervergleich. Diese Zahlen dürften sich laut Prognosen der Kärnten Werbung über die Monate Juli und August fortsetzen.

"Die aktuelle Buchungssituation in den Beherbergungsbetrieben unterstreicht diesen Trend – und auch den zum Aktivurlaub. Der Alpen-Adria-Trail (ein rund 750 km langer Bergwanderweg vom Fuß des Großglockners über Kranjska Gora (Slowenien) nach Muggia in Friaul-Julisch Venetien, Anm.) erlebt Zuwachsraten von 20 Prozent. Und das Thema Rad boomt", sagt Roland Oberdorfer von der Kärnten Werbung.

Ständiges Wachstum

Kärnten steht mit diesem erfreulichen Trend nicht alleine da. Sowohl die Ankünfte (+ 7,2 Prozent), als auch die Nächtigungen (+ 5,9 Prozent) legten in den ersten beiden Sommermonaten österreichweit im Vergleich zum Vorjahr zu. Und 2018 war ein Rekordjahr: 22,9 Millionen Gäste – so viele wie nie zuvor – verbrachten ihren Sommerurlaub in Österreich.

Die Statistik für den Juli liegt noch nicht vor. Aber erste Zahlen deuten bereits auf einen neuen Rekord hin. "Wir rechnen mit Zuwächsen. In der Salzburger Sportwelt gibt es im Juli bei den Nächtigungen ein Plus von vier Prozent", sagt Gernot Hörwertner vom Salzburgerland Tourismus. In der Stadt Salzburg liegt das Juli-Plus sogar bei 7,4 Prozent. Das bestätigt den ebenfalls langjährigen Boom beim österreichischen Städtetourismus – etwa in Wien (siehe Artikel rechts).

Auch in Tirol geht es offenbar weiter aufwärts. "Alle sind positiv gestimmt", sagt Mario Gerber, Sprecher der Tiroler Hotellerie. Er ortet im Sommertourismus "ein Riesenpotenzial". Österreich profitiere derzeit von der im Vergleich zu anderen Urlaubsländern sicheren Lage. "Aber den Aufwärtstrend hat es davor schon gegeben. Kulinarik und Genuss sind den Gästen wieder wichtiger. Das spielt uns genauso in die Hände, wie das steigende Gesundheitsbewusstsein", sagt Gerber. Wandern und Radfahren liegt voll im Trend.

Hitzeflucht

"Höher gelegene Regionen profitieren auch von der Hitze. Die Leute fahren wieder auf Sommerfrische", sagt der Hotelier auch im Hinblick auf die extrem heißen Temperaturen in Südeuropa. "Das Wetter ist sicher ein Thema", sagt Ulrike Rauch-Keschmann. Österreichs großer Vorteil sei die Bandbreite an Angeboten. In den Bergen können die Gäste der Hitze entfliehen. In den Seen gibt es Abkühlung. "Dass man hier in Gewässern mit Trinkwasserqualität baden geht, ist für viele ausländische Urlauber unglaublich", sagt die Tourismusexpertin. Abseits von Naturerlebnissen punkte das Land mit Kulturangeboten, habe Schön- wie Schlechtwetterprogramme.

Ein stetiges Wachstum an Sommerangeboten gibt es in den Wintersportorten. "Die Bergbahnen sind hier ein starker Treiber und schaffen neue Erlebnisse", sagt Rauch-Keschmann. Immer mehr Lifte laufen im Sommer um etwa Bikeparks oder Familienattraktionen am Berg zu bespielen. Das kommt an.

Nichts Geringeres als eine „neue Ära des alpinen Luxustourismus“ wollen Investoren auf dem Pass Thurn, der den Tiroler Bezirk Kitzbühel mit dem Salzburger Oberpinzgau verbindet, einläuten. Das Projekt umfasst ein Spa-Hotel mit 80 Zimmern. Besonders Zahlungskräftige können sich den Blick auf den nahen Nationalpark Hohe Tauern exklusiv sichern. Auf dem Areal werden auch 14 Chalets und 50 Wohnungen errichtet, die zum Kauf angeboten werden. Der Spatenstich soll 2018 erfolgen.
Derartige Geschäftsmodelle liegen im Trend. In St. Christoph am Arlberg entstand kürzlich etwa eine Anlage mit Luxus-Appartements, im Tiroler Pitztal ist gerade ein Chaletdorf in Planung. Immer im Fokus: reiche Bergliebhaber.
Seilbahn-Unternehmer Franz Wieser aus dem Oberpinzgau, der das Projekt am Pass Thurn vorantreibt, sieht derzeit günstige Bedingungen für Luxusprojekte. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man einen guten Mix anbieten kann. Von den Privatzimmer-Vermietern, die es vor 20 Jahren gegeben hat, ist niemand übrig geblieben“, meint Wieser. Mitte Juli unterzeichneten er und sein Geschäftspartner mit der thailändischen Luxus-Hotelkette Six Senses den Nutzungsvertrag für die Anlage. 2020 soll der Bau eröffnen.
Kitz und NationalparkFür Six Senses sei die Lage vor allem wegen der Nähe zum glamourösen Kitzbühel – die Anlage entsteht direkt an einer Liftstation, die den Einstieg ins Skigebiet ermöglicht – und zum Nationalpark Hohe Tauern ausschlaggebend gewesen, sagt Bernhard Bohnenberger, Präsident von Six Senses. Dementsprechend lautet der Name des Luxusresorts „Kitzbühel Alps“.
Derartige Konzepte folgen für den Innsbrucker Tourismusforscher Hubert Siller den Bedürfnissen einer bestimmten Zielgruppe. „Das sind Gäste, die Naturnähe suchen, aber dabei auf Luxus nicht verzichten wollen. Von der Dimension her ist das aber eine Nische.“
Für Siller ist hier das Chalet-Dorf Priesteregg auf einem Hochplateau im Salzburger Leogang ein Vorreiter. Als die Betreiber 2009 eröffneten, sei in der Branche noch diskutiert worden, ob sich mit diesem Geschäftsmodell Geld verdienen lässt.
Das Priesteregg besteht aus 16 Luxus-Chalets und einem Restaurant. Das Essen wird auf Wunsch in die Häuser serviert. In den Chalets werden auch Wellness-Behandlungen durchgeführt. Der naturnahe Luxus hat seinen Preis: ab 220 Euro pro Person und Nacht aufwärts.

Auch die Bundeshauptstadt konnte sich im ersten Halbjahr 2017 über ein Rekordergebnis freuen. Knapp sieben Millionen Gästenächtigungen wurden verzeichnet – das sind 4,2 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Laut Statistik brachten 23 der 30 wichtigsten Herkunftsländer ein Nächtigungsplus, zwölf im zweistelligen Bereich. Zwei Ländergruppen fallen besonders auf. Erstens: Die Russen sind zurück. Nach jahrelangen drastischen Rückgängen der russischen Gäste aufgrund des Ukraine-Konflikts und der Rubel-Abwertung gibt es nun wieder positive Nachrichten. Passend zum österreichisch-russischen Tourismusjahr sind die Nächtigungszahlen im ersten Halbjahr gleich um 34 Prozent gestiegen. Als Grund dafür nennt WienTourismus-Chef Norbert Kettner neue Flugverbindungen. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es 11.000 Sitzplätze zwischen Wien und Russland mehr – das ist eine Steigerung um 60 Prozent.
Zweitens: Die Chinesen fliegen weiterhin auf Wien. Vergangenes Jahr ist diese Urlaubergruppe ja in die Top Ten eingestiegen. Nun gab es eine weitere Steigerung um 45 Prozent. Damit befindet sich China nun bereits auf Platz neun.
Tourismusdirektor Kettner rechnet zudem mit positiven Effekten infolge des „Brexit“. Die Billigfluglinie Easyjet hatte zuletzt ja angekündigt, in Wien ein drittes Standbein zu gründen.
Um Wien noch bekannter zu machen, steht WienTourismus für das zweite Halbjahr 2017 ein Marketingbudget in der Höhe von 8,9 Millionen Euro zur Verfügung. Eingesetzt wird das in 20 Ländern, die den überwiegenden Teil aller Nächtigungen in Wien ausmachen.
Im Fokus stehen wesentliche Vertreter der Wiener Moderne: Gustav Klimt, Egon Schiele, Otto Wagner und Koloman Moser. Sie alle starben 1918, ihr Tod jährt sich somit im kommenden Jahr zum 100. Mal. Das soll mit zahlreichen Ausstellungen verbunden werden.

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