Shoppingcity Seiersberg: Kampf um 197 Mio. Euro

Seiersberg zieht laut Studie viel Umsatz aus Graz ab
Graz verliert laut Studie wegen des Einkaufszentrums in Seiersberg enorm an Umsatz.

197 Millionen Euro. "Pro Jahr", setzt Studienautor Joachim Will nach: Fast 200 Millionen Euro Umsatz entgingen dem Handel in Graz, weil die Gemeinde Seiersberg-Pirka 600 Meter von der Stadtgrenze entfernt ein Einkaufszentrum bauen ließ. 2003 errichtet, ist die Shoppingcity Seiersberg zum drittgrößten Einkaufszentrum Österreichs gewachsen.

Ein Geldmagnet so knapp vor den Stadttoren tut den Stadtpolitikern weh. Zumal die eigenen Shoppingcenter bewilligungsmäßig lange vernachlässigt worden sind. "Die Stadt Graz hat Schaden erlitten und wird weiterhin Schaden erleiden", befürchtet Bürgermeister Siegfried Nagl, ÖVP. "All das, was eine kleine Gemeinde neben der Landeshauptstadt aufgeführt hat, ist immer genehmigt worden."

Kreativ gelöst

Damit meint Nagl das rechtliche Gezerre um den Einkaufsriesen: Dessen Verbindungsbauten, Interessentenwege genannt, wurden vom Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig eingestuft. Die Betreiber von Seiersberg drohten mit Schließung und warnten vor 2100 Arbeitslosen. Das Land Steiermark reparierte so eilig wie kreativ: Es deklarierte die Verbindungsbauten als Straßen.

Da dieses Konstrukt rechtlich wieder nicht halten dürfte, feilt die Abteilung 13 seit neun Monaten an der ultimativen Lösung: Einer Käseglocke gleich soll eine sogenannte Einzelstandorte-Verordnung die Situation einfrieren. Damit würde der Bau vollständig und nachträglich legalisiert. Ob diese Verordnung heuer noch fertig wird, ist fraglich. "Zur Zeit gibt es ja kein akutes Problem", heißt es aus dem Büro des zuständigen SPÖ-Landesrates Anton Lang. Noch hält ja die Straßen-Version.

Den Grazer Stadtchef ärgern diese rechtlichen Spielereien. "Seiersberg spricht von 2100 Arbeitsplätzen. Ich hab’ mindestens 20.000 Menschen in Graz im Handel", vergleicht Nagl. "Es liegt ein Versagen des Landes vor. Das betrifft auch meine Fraktion." Das mag innerparteilich dann noch spannend werden: Auch die Einzelstandorte-Verordnung muss durch die Landesregierung - dort herrscht Einstimmigkeitsprinzip, ohne Ja der Landes-ÖVP kommt sie nicht.

Nagl betont, er fordere nicht die Schließung des Einkaufsriesen. Die Betreiber von Seiersberg sollten bloß ausführen, was das Höchstgericht nahe gelegt habe, nämlich einfach die Verbindungswege kappen. Denn jeder der fünf Einzelkomplexe für sich ist legal, nur zusammengenommen nicht.

Wert steigt

Auch in dieser abgespeckten Form würde Seiersberg aber Umsatz von Graz abziehen, rechnet Studienautor Will vor. Dann allerdings nur 39 Millionen Euro jährlich. Will gibt aber einen weiteren Aspekt zu bedenken: Sobald das Land die Einzelstandorte-Verordnung erlässt, steige der Wert der Shoppingcity. "Wegen der Interessentenwege ist das Objekt nach dem Gerichtserkenntnis derzeit unverkäuflich. Mit der Verordnung ist es verkäuflich."

Mit gängigen Immobilienpreisen kalkuliert ergäbe sich eine Wertsteigerung von 43 bis 100 Millionen Euro. "Ich glaube nicht, dass jemand einen Lottogewinn in Österreich in dieser Höhe eingestreift hat", sinniert Will. "Nichts anderes ist das für mich, ein Lottogewinn."

Klagen und Klagsdrohungen begleiten die Shoppingcity Seiersberg seit langem. Zuletzt gingen die Betreiber vor Gericht und das ausgerechnet mit Klagen gegen die Wirtschaftskammer Steiermark als Gesamtes sowie deren Direktor Karl-Heinz Dernoscheg. Doch am Mittwoch gab die Kammer bekannt, dass der Fall in erster Instanz erledigt sei und zwar zu ihren Gunsten.

Dabei ging es um eine Studie, die die Kammer beim Grazer Uni-Professor Franz Merli erstellen hatten lassen. Der Verwaltungsrechtler lehnt darin die Einzelstandorte-Verordnung des Landes ab, die Wirtschaftskammer schloss sich der Expertise an. Im Frühjahr klagten die Betreiber des Einkaufszentrum auf Widerruf und Unterlassung, sie brachten auch eine Aufsichtsbeschwerde beim Wirtschaftsministerium ein: Sie begründeten mit dem Vorwurf, die Kammer sei parteiisch und vertrete nicht die Interessen aller Mitglieder.

Laut Wirtschaftskammer wurde jedoch sowohl die Beschwerde als auch die Klagen vom Zivilgericht Graz abgewiesen. "Unsere korrekte Vorgangsweise wurde von der Justiz deutlich bestätigt", kommentiert Direktor Dernoscheg. "Uns ist es immer um die Frage der Rechtssicherheit gegangen. Es darf hier keine weitere rechtlich fragile Lösung geben."

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