Seriensextäter bei den Schulbrüdern

H. S. demonstrierte beim Prozess gegen den Inzest-Vergewaltiger Josef Fritzl 2009 in St. Pölten mit ans Kreuz genagelten Puppen für mehr Kinderschutz.
Opfersprecher darf behaupten, dass Kinder in der Obhut des Ordens in Strebersdorf immer noch gefährdet sind.

Den meisten Eindruck auf die Richterin hat die Schilderung eines Zeugen gemacht, dessen körperliche Nachwirkungen der in seiner Kindheit widerfahrenen sexuellen Misshandlungen im Verhandlungsaaal ganz offensichtlich wurden: Zitternd und mit Zähneklappern erinnerte sich der Mann an die Erlebnisse bei den Schulbrüdern in Wien-Strebersdorf.

„Es war dem Zeugen anzusehen und anzumerken, welche Überwindung es ihn kostete, über die Ereignisse zu sprechen“, schreibt Richterin Daniela Fitz im (nicht rechtskräftigen) Urteil.

Abgewiesen

Mit diesem Spruch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen wurde das Begehren des Ordens der Schulbrüder auf Unterlassung von Behauptungen über jahrzehntelange sexuellen Missbrauch in den Einrichtungen des Ordens abgewiesen.

Der von Rechtsanwältin Vera Weld vertretene beklagte H. S. darf daher weiterhin hinaus posaunen, dass Kinder bei den Schulbrüdern „organisiert vergewaltigt und sexuell ausgebeutet wurden“, wie er in Mails an mehrere Politiker und Organisationen schrieb.

Ebenso darf er behaupten, dass ein Teil der dort als Pädagogen agierenden Personen Serientäter sind, und dass zumindest ein Teil von ihnen „heute noch sexuell aktiv ist und daher eine potenzielle Gefahr für jedes in Strebersdorf untergebrachte Kind darstellen.“

Denn „die meisten der genannten Täter sind immer noch in unterschiedlichen Funktionen in den Einrichtungen der Schulbrüder beschäftigt“, sagt S. als Sprecher der Vereins Opferoffensive.

Die Schulbrüder – die das Urteil bekämpfen – wollen davon nichts hören. Kein Erzieher oder Lehrer ihrer Einrichtungen stehe in Zusammenhang mit Vergewaltigung. Solche Aussagen würden potenzielle Schüler und Eltern abschrecken und das Fortkommen der Schulbrüder gefährden.

Die Richterin aber sah den Wahrheitsbeweis des Beklagten im Kern als gelungen an: Die Missbrauchsfälle waren vorbereitet und geplant. Die Schulbrüder haben „als Organisation Bedingungen geschaffen, die diese Ereignisse zumindest nicht verhindert haben.“

Darauf wollte H. S. – „der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen anzuprangern“ (Urteil) – aufmerksam machen. „Er hat sich für alle Opfer aus dem Fenster gelehnt, ohne selbst ein Opfer zu sein“, sagt seine Anwältin Vera Weld, die im Umgang mit den Verantwortlichen des Ordens von „einem doppelten oder dreifachen Boden“ spricht.

In dem Unterlassungsverfahren waren neben Missbrauchsopfern auch Erzieher der Schulbrüder sowie die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic als Vorsitzende einer Opferschutzkommission befragt worden. 80 Fälle aus Einrichtungen der Schulbrüder wurden dort gemeldet.

Verjährung

Von den angezeigten Tätern konnten sich die meisten einer Verurteilung durch Verjährung der Strafbarkeit ihrer Übergriffe entziehen. Einige blieben in ihren Positionen, so dass laut der Richterin auch die Behauptung, dass ein Teil der Täter heute noch sexuell aktiv ist und eine Gefahr für in Strebersdorf untergebrachte Kinder darstellt, „zumindest nicht als unwahr bezeichnet werden kann.“

Als Beweis dafür diente unter anderem die als glaubwürdig befundene Aussage eines Opfers, aus der sich ein „Untätigsein des gesamten Erziehungspersonals trotz der Angstzustände und Selbstverletzungen“ des Zeugen ergibt.

Die Schulbrüder legen gegen das Urteil Berufung ein. Anwalt Farid Rifaat sagt, die Richterin habe nicht zwischen den Vorwürfen aus der Vergangenheit und dem aktuellen Stand differenziert. Zeugen hätten ausgesagt, dass es seit den 1990-er Jahren keinen sexuellen Missbrauch mehr bei den Schulbrüdern geben soll.

Die Anwältin

Seriensextäter bei den Schulbrüdern
Vera Weld Anwältin
Vera Weld wollte mit 14 Anwältin werden, mit 50 ist sie es geworden. Nicht erst seit diesem Zeitpunkt hat die aus einem evangelischen Haushalt in Kärnten stammende und mit 25 nach Tirol „geflüchtete“ kämpferische Frau versucht, „Lügengebäude zum Einsturz zu bringen.“

Schon als ihr die katholischen Mitschüler in der Volksschule hinter vorgehaltener Hand erzählten, dass man nicht darüber reden dürfe, was die Beichte ist, habe sie den Drang zur Wahrheitsfindung verspürt. In Innsbruck hat Vera Weld einen Wohnbauskandal mitaufgedeckt und die „Stattzeitung“ (vormals „Rotes Dachl“) miterfunden. Sie war die erste Ombudsfrau Österreichs, „wenn nicht Europas“, hat den „Stattclub“ als „Partei für soziale Aktionen“ mitgegründet und als Spitzenkandidatin wahlgekämpft. Und sie hat das Buch ihres Ex-Ehemannes, des langjährigen KURIER-Redakteurs Winfried Werner Linde, über den Tod des Wilderers Pius Walder („Die Walder-Saga“) herausgebracht. In ihrer Dissertation hat Weld schon 1999 das Konzept der erst 2014 umgesetzten Landesverwaltungsgerichte statt der bis dahin bestehenden UVS-Senate entworfen. Als Anwältin kämpft sie nicht nur für Missbrauchsopfer.

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