Semesterferien: Alles auf zum Skispaß, aber sicher und gesund

Symbolbild. Skifahrer stehen in Flachau auf einer Piste vor dem Dachsteinmassiv
Nach dem Tod einer Sechsjährigen ist eine Diskussion um Sicherungspflichten von Skigebieten entbrannt. Das Mädchen war mit dem Kopf gegen eine Schneekanone geprallt. Der KURIER fragt nach.

Tausende Menschen ziehen zu Beginn der Semesterferien in Ostösterreich ihre Schwünge in den Skigebieten. Bei all dem Spaß soll nicht darauf vergessen werden, dass auf und abseits der Piste Gefahren lauern können.

Einen besonders tragischen Fall gab es am vergangenen Sonntag in Tirol. Wie berichtet, war ein sechsjähriges Mädchen aus Deutschland in der Skiwelt Wilder Kaiser in Söll mit dem Kopf gegen den Hydranten einer Beschneiungsanlage geprallt. Es erlitt einen Schädelbruch. Erst wenn das Gutachten eines Sachverständigen vorliegt und alle Beteiligten einvernommen sind, wird die Staatsanwaltschaft über eine mögliche Anklage entscheiden. Einige Fragen stehen ungeachtet dessen derweilen im Raum: Hätte der Tod verhindert werden können oder war es eine Verkettung unglücklicher Umstände?

Semesterferien: Alles auf zum Skispaß, aber sicher und gesund
Söll-Tödlicher Skiunfall-Unfallstelle-30.Jänner 2017-fotocredit: ZOOM.TIROL
Das Mädchen war Teil einer fünfköpfigen Schülergruppe, die von einem staatlichen Skilehrer und zwei Hilfsskilehrern begleitet worden war. Laut Polizei verlor die Sechsjährige auf einer Abfahrt die Kontrolle über ihre Ski, wurde immer schneller und durchstieß den Zaun (eine Sichtabsperrung) vor einer mobilen Schneekanone. Das Mädchen prallte seitlich mit dem Kopf auf die Anlage. Nun muss geklärt werden, ob diese ausreichend gesichert war.

Es sind in der Regel tragische Unglücke, die zu Diskussionen führen, ob Skigebiete ausreichend für die Sicherheit ihrer Gäste sorgen. Der Ausgang dieses Falls könnte weitreichende Folgen haben. Denn mobile Schneekanonen mussten bisher nicht mit einem Aufprallschutz versehen werden.

Welche Maßnahmen Pistenbetreiber ergreifen müssen, ist eine komplexe Materie. Immer wieder müssen Gerichte über Fälle entscheiden (Bericht unten). Einer der anerkanntesten Experten, wenn es um Fragen der Pistensicherheit geht, ist Kurt Hoch. Der ehemalige FIS-Renndirektor hat in seiner Karriere als Gerichtssachverständiger rund 1000 Gutachten erstellt. Im KURIER-Gespräch erklärt der Wahl-Innsbrucker, wo Pistensicherungspflichten von Skigebieten laut allgemeiner fachlicher Auffassung beginnen und enden.

– Atypische Gefahren "Grundsätzlich sind atypische Gefahren abzusichern, die schwer oder kaum zu erkennen sind oder denen man nicht ausweichen kann", erklärt Hoch. Das gilt für natürliche, aber auch künstliche Gefahren im Pistenbereich – etwa Liftstützen, Schneekanonen oder -lanzen.

– Balanceakt Bei Sicherungsmaßnahmen gilt es, das "Gleichgewicht zwischen sinnvollen, notwendigen und zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen und der Eigenverantwortung des Wintersportlers" zu wahren. So darf der Pistenerhalter etwa erwarten, dass vorausschauend und in angemessener Geschwindigkeit gefahren wird.

– Die Grenzen Nicht ohne Grund wird zwischen gesichertem Pistenraum und freiem Gelände unterschieden. Innerhalb der Pistenränder, die gut erkennbar sein müssen, und zwei Meter darüber hinaus gilt eine Sicherungspflicht. "Bei extremen Gefahrensituationen aber auch darüber hinaus", sagt Hoch.

– Fangnetz Eine extreme Gefahrensituation kann etwa sein, dass sich neben der Piste nicht eine normale Böschung befindet, sondern das Gelände so abfällt, dass Absturzgefahr besteht. In so einem Fall muss laut Experten "eine Absturzsicherung angebracht werden, die in jedem Fall standhält" – etwa stabile Fangnetze oder Ähnliches.

– Matten Liftstützen und Beschneiungslanzen werden mit Matten abgesichert. "Mobile Beschneiungsgeräte werden im Allgemeinen nur mit Sichtabsperrungen versehen", sagt Hoch. Das Absichern mit Matten wäre nur bedingt hilfreich. Denn: "Bei der Beschneiung kann sich auf der Matte eine Eiswand bilden." Auch in Söll stand vor der Schneekanone eine Sichtabsperrung.

– Kinder Pistensicherungsmaßnahmen richten sich an durchschnittliche Skifahrer. Bei Kleinkindern dürfen Pistenerhalter laut Hoch davon ausgehen, dass sie unter Aufsicht eines Erwachsenen stehen.

Bei Ski-Unfällen denkt man in erster Linie an die Massen auf der Piste, aber meist handelt es sich um Fahrfehler“, erklärt der Sport-Traumatologe Klaus Dann. „Wenn jemand keine zehn Kilometer am Stück laufen oder 40 Kilometer Radfahren kann, sollte er überdenken, ob der Skisport das Richtige ist und vielleicht lieber wandern oder langlaufen gehen.“ Skifahren setzt eine gewisse Grundfitness voraus, sonst riskiert man böse Verletzungen.

Für den ÖSV-Teamarzt Martin Gruber gibt es drei Ansatzpunkte, die jeder beachten kann, um sein Risiko möglichst niedrig zu halten: „Die körperliche Verfassung, die technischen Fähigkeiten und das Material, das verwendet wird.“ Jemand, der das ganze Jahr über kaum Sport macht, brauche sich nicht zu wundern, wenn er sich verletzt, sobald eine Risikosituation eintritt. Zweitens, hat „jemand, der von Kindesbeinen regelmäßig auf Skiern steht, ein viel geringeres Risiko als jemand, der jedes Jahr ein paar Tage Skifahren geht“. Letztendlich betont Gruber, dass die Ausstattung regelmäßig gewartet werden und auf dem modernen Stand der Technik sein muss.
Hierbei warnt Dann vor zu aggressiv bearbeitetem Skimaterial. „Unerfahrene sind mit extrem taillierten Skiern schnell überfordert und so entstehen die wirklich schlimmen Verletzungen.“ Die Ski-Bindung müsse jedes Jahr neu eingestellt, Sohlen und Schnallen auf Abnützung kontrolliert werden.

Gut aufwärmen

Um das Verletzungsrisiko zu reduzieren, wird häufig die Bedeutung des Aufwärmens betont. „Ein aufgewärmter Muskel ist weniger verletzungsanfällig und kann besser auf Ausnahmesituationen reagieren“, erklärt Gruber. Für einen guten Start in einen Skitag würde es schon reichen, die Gelenke zu mobilisieren (z. B: Auf einem Bein stehen, Hüfte und Knie sind 90 Grad gebeugt. Dann jeweils Knöchel, Knie und Hüfte ein paar Mal drehen). Wer dann noch 15 bis 20 Ausfallschritt-Kniebeugen macht, ist bereit für die Piste.

„Der beheizte Sessellift reicht jedenfalls nicht, um die Muskulatur aufzuwärmen“, betont Dann und appelliert, dass das Training für das Skifahren schon im Sommer beginnen sollte: Ausdauer- bzw. Kraft-Ausdauer- und Koordinations- und Balancetraining, etwa auf dem Wackelbrett, seien eine gute Basis, um sich auf die Ski-Saison vorzubereiten und auf schwierige Pistenverhältnisse oder riskante Fahrmanöver souverän reagieren zu können.

Die richtige Ausrüstung

Durchgesetzt hat sich zum Schutz vor Verletzungen inzwischen der Ski-Helm. Seit der Einführung ist die Zahl der Kopfverletzungen stark zurückgegangen. „Ein Fahrradhelm reicht aber nicht, ein Moped-Helm ist zu schwer und es ist auch eine Unart, wenn Leute den Helm nur locker oder mit einer dicken Haube drunter aufsetzen. Er muss schon gut sitzen“, betont Dann. Inzwischen gebe es gute Helmentwicklungen, die den Aufprall und Rotationskräfte abfangen. „Am besten, man lässt sich von geschulten Mitarbeitern im Sportfachgeschäft beraten“, sagt Gruber.

Er empfiehlt zudem Rückenprotektoren. „Hierbei sind die Motorradfachgeschäfte derzeit aber noch besser ausgestattet.“ Dann glaubt, dass künftig auch Airbags an Bedeutung gewinnen werden: „Die stützen den Brustkorb, die Oberarme und den Halsbereich, aber derzeit werden sie nur von den Abfahrern getragen.“
Letztendlich rät Gruber sich zum eigenen Schutz selbst einen Spiegel vorzuhalten und sich zu fragen: Wie gut bin ich ausgerüstet? Wie fit bin ich? Wie gut fahre ich Ski? „Ein Anfänger, der mit alter Ausrüstung und Jagatee im Blut auf die schwarze Piste geht, riskiert böse Verletzungen. Wer sich ordnungsgemäß einstuft und danach handelt, kann sein Risiko stark reduzieren.“

Die Rücksichtnahme auf andere Skifahrer ist auch in den Augen der mit Unfällen auf der Piste befassten Richter die wichtigste Regel. Laut dem Obersten Gerichtshof darf sie aber „nicht überspannt werden, um nicht das Skifahren überhaupt unmöglich zu machen“ .

Ein siebenjähriger Bub hielt am Rand der Skipiste in Werfenweng an, um auf seine Eltern zu warten. Als er losfuhr, kam von oben gerade eine Snowboarderin und kreuzte den Hang. Der Bub prallte gegen sie, kam zu Sturz und verletzte sich. Seine Klage auf 8300 Euro Schmerzensgeld wurde abgewiesen. Zwar kann auf der Piste wie im Straßenverkehr auf das verkehrsgerechte Verhalten von Kindern nur beschränkt vertraut werden, steht im Urteil: Von der Snowboarderin aber zu verlangen, sie hätte den Buben jederzeit im Blick behalten und so langsam fahren müssen, dass sie noch rechtzeitig anhalten kann, „würde bedeuten, dass sie überhaupt zum Stillstand kommt“.

Mangelhaft

Ein 60-jähriger geübter Skifahrer prallte bei der Abfahrt frontal gegen einen bergaufwärts fahrenden Skidoo, dabei wurde ihm ein Bein abgetrennt. Das Fahrzeug war mangelhaft ausgestattet, es gab kein akustisches Warnsignal ab und die gelbe Drehleuchte funktionierte auch nicht. Hätte der Skifahrer ein Rundumlicht (das 33 Meter weit leuchtet) sehen können, wäre es nicht zur Kollision gekommen.

Er bekommt trotzdem keinen Cent Schadenersatz, Klage abgewiesen. Die Skipiste war für den öffentlichen Skilauf nämlich gesperrt. Es sollte ein Rennen dort stattfinden. Der 60-Jährige wollte davor noch schnell den Hang testen. Der Skidoo-Fahrer konnte damit nicht rechnen. Er fuhr bergauf zu einem Richtungstor, um eine Vertiefung zu entschärfen. Unterhalb einer Schanze kam es zu dem Unglück.

Das Urteil hält fest, dass die Inbetriebnahme eines Skidoos ohne funktionieren-de Warneinrichtungen grundsätzliche eine besondere Gefahr schafft. Doch konnte diese Gefahr „bei objektiver Wertung für den Kläger nicht ganz unerwartet sein“. Innerhalb einer gesperrten Rennstrecke muss auch mit unbeleuchteten Hindernissen gerechnet werden.

Gegen BaumgruppeIn

Kärnten verkantete ein Familienvater auf einer roten (mittelschweren) Piste in einer Linkskurve, verlor das Gleichgewicht und rutschte über den talseitigen Pistenrand hinaus. Er prallte gegen eine Baumgruppe und erlitt trotz Helm tödliche Kopfverletzungen. Der Mann hatte das Skigebiet gekannt. Es gab im Unfallbereich keine Warntafeln oder Schutzvorrichtungen (wie einen Fangzaun), obwohl sich dort schon zwei weitere Unfälle (davon ein weiterer tödlicher) ereignet hatten.

Das Verschulden wurde trotzdem im Verhältnis 1:1 geteilt, die Hinterbliebenen bekommen vom Liftbetreiber nur die Hälfte der geforderten 100.000 Euro Schadenersatz. Der Pistenhalter hätte die Stelle zwar absichern müssen. Dem Verunglückten wurde aber ein hohes Mitverschulden angelastet, weil er an der gefährlichen Stelle mit 60 bis 65 km/h zu schnell unterwegs war.

Eine 65-jährige Skifahrerin stellt sich gerade beim Lift an. Plötzlich wird sie „umgeschossen“, wie es Rechtsanwalt Johannes Öhlböck ausdrückt. Ein elfjähriger Bub krachte in die Frau, die einen komplizierten Knöchelbruch und zwei Rippenbrüche erlitt.

Der Unfall passierte schon vor drei Jahren in Kirchberg in Tirol. Doch nun wird in Innsbruck um Geld gestritten. 15.000 Euro Schmerzensgeld und 5000 Euro Haftung für Folgeschäden klagte Öhlböck für die deutsche Touristin ein. „Eigentlich wollten wir eine außergerichtliche Lösung finden“, sagt der Anwalt. Doch die Versicherung der gegnerischen Partei habe die Haftung nicht anerkannt. Darum trifft man sich demnächst wieder. An Ort und Stelle.

Für Öhlböck ist der Unfallhergang eindeutig: Der Bub sei viel zu schnell unterwegs gewesen. Seine Eltern hätten die Aufsichtspflicht verletzt. Zwar waren sie auch auf der Piste – allerdings viel zu weit entfernt, wie der Anwalt sagt. „Die Mutter ist hundert Meter weiter vorne gefahren, der Vater mit genau so einem Abstand dahinter.“ Der heute 14-Jährige und seine Eltern schildern den Vorfall anders: Die Frau sei ohne Fremdeinwirkung nach hinten auf den Buben gefallen.
Öhlböcks Mandantin sei eine sehr gute Skifahrerin gewesen, prinzipiell sportlich. Nach dem Unfall saß sie eine Zeit lang im Rollstuhl, benötigte eine Haushaltshilfe. Außerdem musste sie den Abtransport von der Piste, die Krankenhauskosten und die Therapie bezahlen.

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