Schlepperbericht: Im Osten droht eine neue Eskalation

Polizei am Grenzübergang Spielfeld (Archivbild)
Sprunghafter Anstieg der Aufgriffe seit 2014. Doppelt so viele Schlepper, mehr als drei Mal so viele Geschleppte.

Eigentlich hätte 2015 für die Schlepper ein schlechtes Jahr sein müssen. Denn in der zweiten Jahreshälfte wurden sie eigentlich nicht mehr gebraucht. Schließlich wurden 650.000 Flüchtlinge mit Öffis durch Österreich nach Deutschland gebracht – vollkommen legal und kostenlos. Dennoch boomte abseits der Bahnstrecken die illegale Schlepperei mit überfüllten Kleintransportern, wie der aktuelle Schlepperbericht des Bundeskriminalamts zeigt.

Die Zahl der geschleppten Personen stieg von 20.768 im Jahr 2014 auf 72.179 im Vorjahr . Die Zahl der festgenommenen Schlepper verdoppelte sich von 511 auf 1108. Und insgesamt 94.262 aufgegriffene illegal eingereiste Personen bedeutet gegenüber 2014 eine Steigerung von 177 Prozent.

Meistens wurden Kastenwagen für Schlepper-Transporte verwendet, in die bis zu 80 Personen gepfercht wurden. Tragischer Höhepunkt war der Fund von 71 erstickten Flüchtlingen in einem Klein-Lkw auf der Ostautobahn. Die meisten Aufgriffe gab es mit 11.113 im Bezirk Neusiedl/See. Aber auch die Wiener Bezirke Neubau (4150), Favoriten (3260) und Rudolfsheim-Fünfhaus (2450) zählen zu den Hotspots.

Herkunftsländer

Bei den Herkunftsländern verzeichneten vor allem der Irak sowie Bangladesch, Afghanistan, Iran, Marokko und Syrien starke Zuwächse. Die meisten Grenzübertritte erfolgten aus Ungarn (46,7 Prozent) und Slowenien (15,9 Prozent). Die Liste der festgenommenen Schlepper führen 190 Serben an, gefolgt von 141 Rumänen, 139 Ungarn, 74 Kosovaren und 62 Syrern.

Schlepperbericht: Im Osten droht eine neue Eskalation

Abwehrstrategie

Mangels einer koordinierten EU-Strategie setzt Österreich auf nationale und regionale Maßnahmen. Als Erfolg wird die Schließung der Balkanroute gewertet. Die hatten im vergangenen Jahr eine Million Menschen genutzt. Nachdem es Außenminister Sebastian Kurz und der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gelungen war, Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien für Grenzschließungen zu gewinnen – und nach dem EU-Türkei-Flüchtlingspakt – ist die Balkanroute fast zum Erliegen gekommen.

Als Erfolg kann auch die angedrohte Sperre der Brennerroute gewertet werden: Nach ersten Vorbereitungsmaßnahmen am Brenner nehmen die Italiener die österreichische Forderung nach einem Ende des "Durchwinkens" ernst, und errichten in aller Eile drei mobile Hotspots zur Registrierung und Identifizierung von Flüchtlingen.

Außerdem gelang es Innenminister Wolfgang Sobotka, das Südosteuropa-Büro der Menschenhandelsabteilung der Europol nach Wien zu holen. In diesem "Joint Operational Office" wird der polizeiliche Kampf gegen die weltweit agierenden Schlepper-Syndikate koordiniert. Sobotka: "Die Antwort auf die organisierten Schlepperbanden muss europaweit koordiniert sein. Wir brauchen den internationalen Austausch und erfolgreiche operativen Maßnahmen im In- und Ausland."

Schlepperbericht: Im Osten droht eine neue Eskalation
Wolfgang Sobotka ist mit der Performance nicht unzufrieden.

Eskalation im Osten

Auf dieses Büro kommt viel Arbeit zu, denn an der Ostgrenze droht eine neuerliche Eskalation. Europol schätzt, dass sich die Profite der organisierten Banden 2016 verdoppeln oder sogar verdreifachen.

Erst vor zwei Wochen haben europäische Geheimdienste in Kabul ein Treffen der weltweit größten Schlepperorganisationen aus Afghanistan, Griechenland, Iran, Thailand, Türkei, Bulgarien und Indien abgehört. Die wollen eine neue Route über Georgien, Russland, Ukraine, Ungarn und Österreich erkunden, um mindestens 300 Afghanen pro Tag – das sind mehr als 100.000 pro Jahr – nach Europa zu schleusen. Dafür müsse sich die Reisezeit auf maximal drei Wochen verkürzen. Auch über eine gemeinsame Kasse für die Bestechung der Grenzbeamten in Südosteuropa wurde debattiert.

Einen stark alkoholisierten Schlepper hat die Polizei am Donnerstag auf der Ostautobahn bei Nickelsdorf aus dem Verkehr gezogen. Im Auto des Ungarns fanden die Beamten ein Baby, das im Fußraum des Autos versteckt gewesen war. Ein Alkotest beim Lenker ergab drei Promille. Der 55-Jährige wurde verhaftet.

Seit Beginn der Grenzkontrollen im Nordburgenland Ende April sind die Festnahmen von Schleppern zurückgegangen und die Aufgriffe von Flüchtlingen gestiegen. "Die Lenker wissen, dass wir sie sofort schnappen, wenn sie rüberkommen. Deshalb lassen sie die Leute jetzt in Ungarn aussteigen und schicken sie über die Grüne Grenze", berichtet der Bezirkspolizeikommandant von Neusiedl, Rainer Bierbaumer.

Durch den Assistenzeinsatz wurde die Zusammenarbeit mit Ungarn verstärkt. Sobald die Soldaten Flüchtlinge sehen, die sich der Grenze nähern, wird die ungarische Behörde alarmiert. "So können wir viele an der Einreise nach Österreich hindern", erzählt Bierbaumer.

Häftlinge in Feldbetten

Im Mai wurden landesweit 1525 illegal aufhältige Personen aufgegriffen und 18 Schlepper gefasst – ein leichter Anstieg zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Sollte der Flüchtlingsansturm rapide ansteigen, könnte binnen weniger Tage das Grenzmanagement hochgefahren und ein Zaun aufgestellt werden.

Angestiegen ist in den vergangenen Monaten jedenfalls die Zahl der inhaftierten Schlepper, sagt der Leiter der Justizanstalt (JA) Eisenstadt, Günter Wolf. Der Ausbau der Anstalt wurde gerade erst abgeschlossen, und schon platzt die Einrichtung erneut aus allen Nähten. 150 Haftplätze stehen zur Verfügung, doch derzeit befinden sich 187 Personen in Haft – 86 von ihnen seien Schlepper. Mit zusätzlichen Feld- und Stockbetten müssen die Häftlinge nun untergebracht werden.

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