Prozess nach Arbeitsunfall in Lend endet mit Freisprüchen

Prozess nach Arbeitsunfall in Lend endet mit Freisprüchen
Zwei Arbeiter waren in einer Vorwärmekammer eines Ofens im Aluminiumwerk verbrannt. Urteil nicht rechtskräftig.

Im Prozess um den tödlichen Unfall im Salzburger Aluminiumwerk Lend sind am Freitag die restlichen acht Angeklagten nicht rechtskräftig freigesprochen worden. Damit haben im Laufe des Verfahrens alle 17 Angeklagten einen Freispruch erhalten. Dem heutigen Urteil zufolge haben die beiden Arbeiter, die 2012 in einer Vorwärmekammer verbrannten, die Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten.

Das Verfahren wegen des Todes eines 56-jähriges Schlossers und eines 49-jähriges Leiharbeiters, die am 8. März 2012 in der Vorwärmekammer eines Ofens verbrannten, hat mehr als drei Monate gedauert. Zu Beginn im Juni waren 17 Personen, unter ihnen gewerbe-und handelsrechtliche Geschäftsführer der Aluminium Lend GmbH und ein Staplerfahrer, der zum Unfallzeitpunkt per Fernbedienung irrtümlich die Schiebetür zu der Kammer geschlossen und den Heizvorgang gestartet hatte, wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen angeklagt. Dann hatte die Staatsanwaltschaft gegen neun Personen den Strafantrag zurückgezogen, woraufhin Formalfreisprüche erfolgten. Übrig blieben gewerberechtliche Geschäftsführer, Sicherheitsfachkräfte, Sicherheitsvertrauenspersonen und der Staplerfahrer. Sie alle beteuerten ihre Unschuld.

Gutachten des Sachverständigen

Richterin Anna-Sophia Geisselhofer hat die heutigen Freisprüche mit einem Gutachten des neu bestellten Sachverständigen Gerhardus De Vries untermauert. Der Elektrotechniker hatte sinngemäß dargelegt, dass die Steuerungsanlage der Vorwärmkammer zwar funktional unsicher war, der tödliche Unfall durch Einhaltung der betriebsinternen Sicherheitsmaßnahmen aber zu verhindern gewesen wäre. Als Maßnahmen zählte er auf: Das Abschalten der Anlage, diese gegen eine Wiedereinschaltung zu sichern und durch eine Absturzsicherung zu verhindern, dass sich das Tor zur Vorwärmekammer schließt. Dies alles hätte laut De Vries einen Personenschaden vermeiden können.

Die Kammer, die von 2006 bis 2012 störungsfrei funktioniert habe, wäre beim Betreten sicher gewesen, wenn die beiden Arbeiter die drei Maßnahmen, die in dem Aluminiumwerk "unterwiesen, gelebt und angewandt wurden", durchgeführt hätten, erklärte die Richterin. Der Betrieb der Anlage habe sich "in einem rechtlich tolerierbaren Bereich der Gefahr befunden". Das Fehlen einer gewerbebehördlichen Bewilligung führe nicht dazu, dass daran "ein objektiver Sorgfaltsverstoß" abgeleitet werden könne. Zudem gelte der Vertrauensgrundsatz bei der Zusammenarbeit in dem Betrieb. Wenn gefährliche Arbeiten auszuführen seien, müsse man darauf vertrauen können, dass die Kollegen die erforderlichen und geschulten Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, sagte die Richterin.

Staatsanwalt Michael Schindlauer gab zu den Freisprüchen keine Erklärung ab. Die Angeklagten waren erleichtert. "Für uns alle ist es ganz wichtig, dass das Verfahren nun abgeschlossen ist. Damit kann für alle Betroffenen und für den Standort Lend wieder Ruhe einkehren", sagte Konzernsprecher Hannes Rest nach der Verhandlung zur APA.

"Unvorsichtig in dieser Situation"

Bemerkenswert war, dass der Staatsanwalt in seinem Plädoyer selbst "Zweifel an einer strafbaren Handlung der hier noch angeklagten Personen" hegte. Er verwies ebenfalls auf das Gutachten von De Vries. Die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen seien von den zwei Mitarbeitern, die dann verunglückten, nicht gesetzt worden. "Die beiden waren einfach unvorsichtig in dieser Situation." Es habe diverse Sicherheitsmängel gegeben und auch keine gewerberechtliche Genehmigung, doch es erscheine fraglich, ob dadurch der Unfall verhindert hätte werden können, sagte Schindlauer.

Die Aluminium Lend GmbH vertrat die Ansicht, dass die Nichteinhaltung der firmenintern vorgeschriebenen vier Sicherheitsmaßnahmen durch die verunglückten Arbeiter kausal zu dem tragischen Unfall geführt habe. Wäre nur eine von drei Sicherheitsvorkehrungen aktiviert worden, so hätte dies den Unfall verhindern können, erläuterte Rechtsanwalt Philipp Lettowsky, der das Unternehmen und einige Angeklagte in dem Prozess vertreten hat. Die Anlage habe bei Inbetriebnahme auch dem Stand der Technik und den sicherheitstechnischen Anforderungen entsprochen. Ins selbe Horn stieß der Verteidiger von zwei gewerberechtlichen Geschäftsführern. "De Vries hat auch gesagt, dass eine Warnhupe nicht hätte vorgeschrieben werden müssen. Einen technischen Fehler, der causal für den Unfall war, hat es nicht gegeben, sondern Verfehlungen der Verunglückten."

Der Verteidiger des angeklagten Staplerfahrer erklärte erneut, warum sein Mandant unschuldig sei. Laut den Sicherheitsvorschriften hätte er von den beiden Mitarbeitern zuvor darüber informiert werden müssen, dass die Reparaturarbeiten in der Vorwärmekammer beginnen. Die beiden seien auch verpflichtet gewesen, alle Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Der verunglückte Schlosser sei bis dahin auch immer sehr genau gewesen, habe stets das Warnschild vorschriftsmäßig aufgehängt und die Anlage immer abgeschaltet. Sein Mandant sei zum Unfallzeitpunkt davon ausgegangen, dass sich niemand in der Kammer befinde.

Opferanwalt wollte Schuldspruch

Opferanwalt Stefan Rieder, der für Angehörige der Verunglückten insgesamt 160.000 Euro für "Schockschaden" und Trauerschmerzensgeld beantragte, forderte einen Schuldspruch hinsichtlich aller Angeklagten. Der Staplerfahrer habe objektiv sorgfaltswidrig gehandelt, meinte Rieder. Dieser habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass sich zum Zeitpunkt des Schließens des Tores niemand in der Vorwärmekammer aufhält. "Soweit reicht der Vertrauensgrundsatz nicht aus."

Rieder bezeichnete den Staplerfahrer allerdings auch als "Opfer der Unternehmensstruktur". Viele Geschäftsführer seien "als reine Strohmänner" eingesetzt worden und oft operativ gar nicht tätig gewesen. "Es gab ein Zuständigkeitswirrwarr. Personen kamen in Funktionen, denen sie nicht gewachsen waren." Der Anwalt stellte die Frage, ob nicht der Profit des Unternehmens im Vordergrund gestanden und die Fürsorge für die Mitarbeiter vernachlässigt worden sei.

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