Prozess gegen IS-Verdächtigen gestartet

Sondereinheit bei einem ähnlichen Prozess in Salzburg im Vorjahr (Archiv)
In Salzburg hat ein Prozess gegen einen 27-jährigen Marokkaner begonnen, der das Netzwerk der Paris-Attentäter mit Informationen unterstützt haben soll.

Am Landesgericht Salzburg hat am Montag ein zweitägiger Prozess gegen einen Marokkaner begonnen, der das Netzwerk der Paris-Attentäter mit Informationen unterstützt haben soll. Dem 27-Jährigen wird Beteiligung an der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) vorgeworfen. Er soll im Dezember 2015 in einem Salzburger Flüchtlingscamp in Kontakt mit weiteren IS-Verdächtigen gestanden sein.

Der nicht geständige Beschuldigte wurde im Sommer 2016 in Belgien gefasst und nach Salzburg ausgeliefert. Abid T. soll auch ein Komplize des Algeriers Adel H. (29) und des Pakistanis Muhammad U. (35) gewesen sein, die mit zwei späteren Paris-Attentätern am 3. Oktober 2015 nach Griechenland eingereist und im November 2015 als syrische Flüchtlinge getarnt in Österreich gelandet waren. In dem Salzburger Flüchtlingslager nahe der deutschen Grenze hatten die beiden der Anklage zufolge auf Abid T. gewartet, der dann am 9. Dezember 2015 dort eintraf.

Vorbereitung weiterer Anschläge

Die drei Männer und zwei weitere mutmaßliche Dschihadisten, ein 26-jähriger Marokkaner und ein 41-jähriger Algerier, die bei einem Prozess im Mai 2017 in Salzburg bereits zu sechs und sechseinhalb Jahren wegen Beteiligung an der IS-Terrorvereinigung nicht rechtskräftig verurteilt wurden, sollen sich zur Vorbereitung und Begehung weiterer Anschläge dem Terror-Netzwerk angeschlossen haben.

Konkret wirft der Staatsanwalt dem 27-jährigen Marokkaner vor, er habe durch Weitergabe von Informationen und durch Austausch von Daten am Handy die geplante Weiterreise von Adel H. und Muhammad U. unterstützt, damit sie sich der Terrorzelle von Frankreich anschließen können. In dem Flüchtlingslager habe der Beschuldigte einen Schlafplatz zwischen Adel H. und Muhammad U. eingenommen. Das sei kein Zufall gewesen, sagte der Staatsanwalt. Zwecks Datenaustauschs habe der 27-Jährige sein Mobiltelefon Adel H. zum Aufladen gegeben. In das Handy sei dann die SIM-Karte des 41-jährigen Algeriers, der die Rolle eines IS-Scouts ausgeübt habe, eingelegt worden. Bis auf zehn Kontaktdaten seien die Nummern herausgelöscht worden. Die verbliebenen Daten hätten als Informationsquelle für kleinere Terrorgruppen gedient.

"Jihad" als Handy-Code

Weiters habe sich der Angeklagte von Adel H. fotografieren lassen, um, wie beim IS üblich, den Standort der "Scouts" zu dokumentieren. Als Entsperrungscode für das Handy wurde das Wort "Jihad" verwendet. Warum?, wollte der vorsitzende Richter des Schöffensenates wissen. "Als Erinnerung an meine Großmutter", antwortete der 27-Jährige. Ob die Frau etwas mit dem Jihad zu tun habe, fragte der Richter. Nein, er wisse es nicht, sagte der Angeklagte.

Während Adel H. und Muhammad U. sowie die beiden anderen Verdächtigen bei Polizeiaktionen Mitte Dezember in dem Salzburger Flüchtlingslager festgenommen wurden, konnte Abid T. nach Belgien weiterreisen. Die SIM-Karte wurde in einer Geldtasche eines Verdächtigen gefunden, und das Handy des 27-Jährigen konnte sichergestellt werden. Warum habe er dieses nach der Polizeiaktion nicht zurückverlangt, wenn er doch nur seinen Bruder in Belgien besuchen habe wollen und außer dem Handy nichts bei sich hatte, fragte der Vorsitzende. Das Handy sei ihm nicht so wichtig gewesen, antwortete der Angeklagte.

Rechtsanwalt fordert Freispruch

Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Wolfgang Blaschitz, erklärte in seinem Eingangsplädoyer, warum er für seinen Mandanten einen Freispruch fordert. Als die anderen Verdächtigen im Oktober 2015 nach Europa gekommen seien, sei der 27-jährige Gelegenheitsarbeiter zu Hause bei seiner Familie in Marokko gewesen, ebenfalls am 13. November 2015, zum Zeitpunkt der Attentate in Paris. "Er hat davon geträumt, mit anderen aus Marokko auszuwandern. Er hat einen Bruder in Belgien, dorthin wollte er reisen." Die Reise habe keinen Zusammenhang mit den Anschlägen gehabt, der Marokkaner sei am 20 . November 2015 aufgebrochen und habe sich über die Flüchtlingsroute nach Europa durchgeschlagen. "Er und sein Handy waren am 10. Dezember in dem Flüchtlingslager zur falschen Zeit am falschen Ort."

Die anderen vier Verdächtigen hätten alle ausgesagt, dass sie den 27-Jährigen nicht kennen würden, sagte der Verteidiger. Diese würden auch keinen "Unausgebildeten" benötigen, um einen Anschlag durchzuführen. "Er weiß nicht einmal, wie man einen Sprengstoffgürtel zündet." Der Marokkaner sei als Tourist in das Flüchtlingslager gekommen und habe keine Kontaktaufnahme zu mutmaßlichen Mittelsmännern gesucht. Er habe sein Handy aufgeladen und sich währenddessen "offensichtlich wo anders länger aufgehalten. Er weiß nicht, was in dieser Zeit passiert ist. Er kann sich nicht erklären, wie sich gewisse Nummern auf dem Handy wiederfinden. Vielleicht wurde es verwechselt. Er hat keine Anschlagspläne unterstützt und nie terroristische Kontakte gepflogen. In Brüssel hat er sich nachträglich völlig unbehelligt aufgehalten." Der Prozess soll morgen, Dienstag, fortgesetzt werden.

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