Richtervereinigung: "Vor dem Gesetz sind alle gleich"
Manche mediale Kritik an Justiz-Entscheidungen - etwa am Urteil gegen Josef S. - geht den Standesvertretern der Richter zu weit. Man könne nicht aus einer "unpopulären Entscheidung" auf mangelhafte Richterausbildung oder -auswahl schließen. Sachlichkeit und Äquidistanz seien Grundpfeiler der Justiz, "sie könnten auch dem öffentlichen Diskurs nicht schaden", schreiben sie in einem Offenen Brief.
"Es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaften und Gerichte, Erwartungshaltungen der Öffentlichkeit, der Politik oder einzelner Medienvertreter zu erfüllen."
Dass der deutsche Anti-Akademikerball-Demonstrant Josef S. in erster Instanz wegen Landfriedensbruchs, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde, wurde von vielen Seiten kritisiert. Im Standard wurde der Justiz vorgehalten, in "Angepasstheit und Korpsgeist" nach dem Motto "Härte gegen Taschendiebe, Glacehandschuhe bei Promis" zu agieren, ein "Rekrutierungsproblem" konstatiert und dem Justizminister eine bessere Personalauswahl empfohlen. Auch die Presse setzte sich kritisch mit der "Qualität des Personals" und mangelnder Aus- und Weiterbildung auseinander. Die Richtervereinigung betont nun in ihrem Offenen Brief: "Es ist nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaften und Gerichte, Erwartungshaltungen der Öffentlichkeit, der Politik oder einzelner Medienvertreter zu erfüllen."
Vorwürfe falsch
"Das kann man nicht vermischen", meinte der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl, im Gespräch mit der APA. Aus einem Urteil, "das einem nicht gefällt" - und das noch gar nicht rechtskräftig ist - könne man nicht solche Vorwürfe ableiten.
Wer aus einer unpopulären Entscheidung auf mangelhafte Richterausbildung oder -auswahl schließe, habe sich mit dem System nicht auseinandergesetzt, steht in dem Offenen Brief, den Zinkl gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der GÖD, Christian Haider, verfasst hat. "Sachliche Kritik ist zulässig und kann auch der Qualitätssicherung dienen", stellen sie fest. Aber es sei nicht Aufgabe der Gerichte, "Erwartungshaltungen der Öffentlichkeit, der Politik oder einzelner Medienvertreter zu erfüllen". Politische Motivation finde bei der Entscheidungsfindung ebenso wenig Raum wie "die Erfüllung öffentlich zum Ausdruck gebrachter Rache- und Freispruchgelüste".
Auf Grundlage der Gesetze
Die Gerichte würden auf Grundlage der Gesetze und nach sorgfältiger Abwägung der Beweisergebnisse entscheiden, "unabhängig von Herkunft, politischer Einstellung und Bekanntheitsgrad der beteiligten Personen". Außerdem verweisen Zinkl und Haider auf die Kontrolle und Überprüfung im Instanzenzug durch unabhängige Gerichte. Und das Aus- und Fortbildungssystem der Justiz mit einem hohen Anteil an "Soft Skills"-Seminaren sichere "entgegen zuletzt aufgestellten Behauptungen" die Qualität.
Sehr scharfe Worte fand der frühere Strafrechts-Sektionschef im Justizministerium und jetzige Präsident der Österreichischen Juristenkommission, Roland Miklau, in einem Gastkommentar im "Standard" mit dem Titel "Unerträgliche Berichterstattung". "Ich empfand die einseitige und oberflächlich verzerrte Berichterstattung über diesen Fall zunehmend unerträglich", hielt er fest. Natürlich sei Kritik an der Justiz berechtigt und notwendig, "muss man aber das im Rechtsstaat wichtige Grundvertrauen der Bevölkerung in die Justiz durch unbedarfte und generalisierende Darstellungen untergraben?"
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