Im Grenzeinsatz: "Man glaubt, man packt’s nicht"

Spielfeld: Der Grenzübergang, an dem die meisten Flüchtlinge nach AUT kommen.
Polizisten im Einsatz in Spielfeld und Radkersburg sprechen über ihre Erlebnisse mit Flüchtlingen.

Daniela Krainer hatte frei, saß in Mureck bei einem Fest. Dann der Anruf von ihrem Kommandanten. "Dani, wir brauchen dich. Da sind Hunderte Menschen", erinnert sich die Polizistin. "Ich bin im Dirndl auf die Dienststelle, dort in den Einsatzanzug gehupft und los."

Wie oft sie seither in Spielfeld, manchmal auch in Bad Radkersburg, Grenzdienst hatte, kann die Mutter einer vierjährigen Tochter gar nicht sagen. Sie hat nicht mitgezählt. Tage- und nächtelang im Einsatz, Überstunden zuhauf, Freizeit entsprechend mangelhaft. Aber Krainer klagt nicht darüber. "Es ist anstrengend und eine Herausforderung, so viele Menschen zu betreuen", sagt die Bezirksinspektorin. "Man sieht sie und fragt sich, was erwarten sie sich, dass sie so weit hierherkommen? Was müssen diese Leute erlebt haben?"

Leere Sammelstelle

Sonntagfrüh warteten in Spielfeld erstmals seit 17. Oktober keine Flüchtlinge, zu Mittag waren nur 600 da. Die Einsatz- und Hilfskräfte hatten dadurch eine kurze Ruhepause, bisher betreuten sie pro Tag zwischen 6000 und 8000 Menschen in der Sammelstelle. Sie wurde sukzessive erweitert, der Warteplatz für die Busse ist mit einem Zelt überdacht. All das soll Eskalationen verhindern.

Wie an jenen Tagen, als es hinter der Absperrung einfach zu eng wurde und Menschen losrannten. Die Polizisten konnten bloß zur Seite gehen. Kontrollinspektor Gerhard Bauer war da im Dienst. "Wir haben versucht, aus der Situation das Beste zu machen und die Menschen zum Umkehren zu bewegen."

Bereits einen Monat zuvor gab es in Bad Radkersburg eine ähnliche Situation. Am 19. September sammelten sich Flüchtlinge auf der Grenzbrücke. Eine Momentaufnahme ging danach nicht nur durch die sozialen Medien: Vier steirische Polizisten, die Hunderte Menschen aufhalten sollten.

Oberstleutnant Herbert Karner, Bezirkspolizeikommandant in der Südoststeiermark, ärgert sich über das verzerrte Bild: "Für die Kollegen war das ein ziemliches Trauma, die sind überall drauf angesprochen worden: ,Ihr seids die hilflosen Bauernopfer.‘" Für die Medien sei nur der Moment des Übergehens der Brücke interessant gewesen. "Aber was wäre die Alternative gewesen?", fragt Karner und antwortet selbst: Würde die Radkersburger Brücke gesperrt, käme es zu einer Katastrophe. "Wenn dort Kinder ins Wasser fallen, würde das die Bevölkerung nicht verstehen. Aber wenn wir die Menschen einfach durchlassen, versteht sie es auch nicht."

Karner ordnete jüngst stichprobenartige Überprüfungen der Flüchtlinge an, um "dem Argument Paroli zu bieten, die brächten Tod und Teufel mit". Fazit: "Keine Waffe, kein Messer, keine Drogen."

Persönliche Erlebnisse

In Spielfeld hat sich die Arbeit für die Polizei seit 17. Oktober eingespielt. "Es strengt sich jeder an", versichert Karner und doch nehmen auch die Polizisten persönliche Erlebnisse mit den Flüchtlingen mit nach Hause, über kränkliche alte Menschen, mit Krücken oder gar in Rollstühlen.

"Man überlegt dann schon auch privat: was hat man ihnen versprochen?", sagt Karner. Daniela Krainer erinnert sich an ein Mädchen, das sie am Bahndamm aufgegriffen hat. "Das hat meine Hand bis Spielfeld nicht mehr losgelassen."

Valentin Tunner, Polizist aus Bad Aussee, ist seit Mitte September im Grenzeinsatz. Dort traf er auf einen Zwölfjährigen und seine kleine Schwester (8). Vollwaisen, die sich irgendwie nach Belgien durchschlagen wollen. Dort lebt ihre Tante. Oder der Polizeikollege, der mit Frau und Kind aus dem Irak vor dem IS flüchtete. "Am ersten Tag dort glaubt man, man packt’s nicht", schildert Tunner offen. "Aber das wird dann irgendwann zu einem Hintergrundgeräusch."

Als der 27-Jährige seine Erlebnisse auf Facebook nach einem 30-Stunden-Dienst öffentlich machte, verbreitete sich sein Posting rasant: Es wurde 4839-mal geteilt.

Kommentare