Posse um gezogene HCB-Proben

1000 Görtschitztaler haben sich der Klage auf Schadenersatz angeschlossen
Waldschäden geortet, beim Land ist niemand zuständig. Opfer wollen 150 Millionen Schadenersatz

Man fühlt sich an den Beginn des Hexachlorbenzol-Umweltskandals und an die skurrilen Auftritte im HCB-U-Ausschuss zeitversetzt: Verantwortungen wurden stets zwischen den Referaten hin- und hergeschoben, niemand war zuständig. So auch aktuell: Laut dem Wiener Rechtsanwalt Wolfgang List wurden im Görtschitztal durch einen privaten, forstwirtschaftlichen Gutachter massive Schäden am Waldbestand festgestellt. Auf KURIER-Nachfrage beim Land Kärnten fühlen sich jedoch für Waldboden-Beprobungen weder das Agrar- noch das Umweltressort zuständig.

"Versorgung leidet"

Um konkrete Schäden durch den HCB-Umweltskandal eruieren zu können, hat List, der eine Sammelklage der Görtschitztaler Bevölkerung vorbereitet, ein forstwirtschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben. "Massive Schäden am Waldbestand in Millionenhöhe wurden dabei erkannt", sagt er. Pilzorganismen seien im Waldboden durch das HCB in Mitleidenschaft gezogen worden, sodass die Nährversorgung des Waldes und die Widerstandsfähigkeit leide. "Der zukünftige Zuwachs kann nicht mehr in der bisherigen Qualität gewährleistet werden."

Der KURIER wollte diese Ergebnisse mit jenen des Landes abstimmen, konfrontierte das Agrarressort von Christian Benger (ÖVP) mit dem Gutachten, erhielt jedoch die Auskunft: "Wir sind nur für Futter, Milch und Fleisch zuständig. Für den Waldboden ist es die Umweltabteilung." Dass Rolf Holubs (Grüne) Ressort Fichtennadeln untersuchen ließ (diesbezüglich wurde ein deutlicher Rückgang der HCB-Werte festgestellt), ist bekannt. Aber wurden konkret Waldböden beprobt? "Das Thema Wald- und Forstwirtschaft ist im Büro von Benger angesiedelt", lautet die Antwort. List lässt nun für seinen Millionenprozess auf privaten Grundstücken, im Wasser und auf landwirtschaftlichen Flächen zusätzliche Proben ziehen. Parallel dazu werden Häuser und Liegenschaften der betroffenen Bürger bewertet. "Je nach Lage, Größe und Zustand gehen wir von einem Wertverlust von rund 50.000 Euro pro Haus oder Liegenschaft aus", betont der Jurist.

Die Schadenersatzklage, die vor zwei Monaten noch mit 110 Millionen Euro beziffert wurde, erhöhe sich nun auf 150 Millionen. Sie richtet sich gegen das Zementwerk "Wietersdorfer & Peggauer", die Donau Chemie sowie die Republik.

Gesellschaft zahlt

Waren es im Februar 500 Bürger, die sich dem Zivilprozess angeschlossen hatten, so hat sich die Zahl inzwischen verdoppelt. Für die Kläger besteht keinerlei finanzielles Risiko.

Eine europaweit agierende Prozessfinanzierungsgesellschaft streckt das Geld für Gerichts-, Anwalts- sowie Zeugen- und Sachverständigenkosten vor. Offensichtlich ist das Unternehmen vom Prozesserfolg überzeugt: Wenn dieser Fall eintritt, erhält sie einen Teil der erstrittenen Summe.

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