Neuer Bischof hält nichts vom "Hochziehen von Grenzen""

Der Steirer Hermann Glettler fühlt sich in Tirol bereits angekommen
Der Steirer Hermann Glettler gilt als kritischer Geist. Der designierte Bischof der Diözese Innsbruck will Stimme der Randgruppen sein.

Am 2. Dezember wird Hermann Glettler in der Innsbrucker Olympiahalle zum Bischof geweiht. Ein Gespräch mit dem 52-Jährigen über Migration, Grenzen und die Gier von Spekulanten.

KURIER: Ihre Weihe wird in einer Konzerthalle vor 4000 Menschen zelebriert. Fühlen Sie sich ein wenig wie ein Popstar?

Hermann Glettler: Die Wahl des Ortes ist dadurch bedingt, dass der Dom nur 750 Plätze hat. Und das ist zu wenig, weil mehr Menschen mitfeiern möchten. Alle Interessierten sollen aktiv teilnehmen können. Die Bischofsweihe möchte ich nicht als ein elitäres Ereignis, sondern als ein Fest der Kirche dieses Landes. Star bin ich keiner. Das liegt mir ganz fern.

Wie sehr sind Sie schon in Tirol angekommen?

Die Umzugsschachteln sind schon vor zwei Wochen angekommen. Gefühlsmäßig bin ich auch schon in Tirol gelandet. Ich bin allen dankbar, die mir mit ihrer Herzlichkeit das Ankommen leicht gemacht haben. Das hilft mir, den Abschiedsschmerz von der Steiermark ein wenig zu lindern. Ab jetzt bin ich ein Steirer mit Herz für Tirol.

Fast zwei Jahre Dauerwahlkampf haben die Gesellschaft gespalten. Sind Sie hier als Bischof gefordert?

Der Ausdruck "gespaltene Gesellschaft" ist etwas übertrieben. Sehr wohl gibt es Tendenzen zur Polarisierung zwischen der Gruppe jener, die eher von Ängsten geleitet sind, und anderen, die eher eine unbekümmerte Weltoffenheit leben. Aber ich glaube nicht, dass wir uns innerhalb unserer Gesellschaft überhaupt nicht mehr verstehen.

Wo sehen Sie ihre Rolle?

Als Bischof will ich ein Brückenbauer sein, ein Vermittler, wo immer es notwendig ist. Aber mein erster Auftrag ist es, die berührende und herausfordernde Botschaft von Jesus in einer zeitgemäßen Form zugänglich zu machen. Hoffentlich werde ich auch immer für jene Partei ergreifen, die im Leben zu kämpfen haben.

Die Migration war bestimmendes Wahlkampfthema. Wie geht es Ihnen damit?

Ich fand es traurig, dass es diese unselige, fast aggressive Allianz der drei führenden Parteien in diesem Thema gab. Man hatte den Eindruck, wenn dieses Thema aus der Welt geschafft ist, dann gibt es keine Arbeitslosigkeit, keinen Bedarf für Sozial-, Bildungs- oder Pensionsreform mehr. Das ist eine Überschätzung des Problems. Auf der anderen Seite will ich die anstehenden Herausforderungen nicht kleinreden. Unsere Wohlstandsgesellschaft kann aber noch mehr tun.

Am Brenner stand zuletzt mehrfach die Schließung der Grenze im Raum.

Ich hoffen nicht, dass es zu dieser Verschärfung der Grenzproblematik am Brenner kommt. Die Identität eines Landes und unserer Gesellschaft lässt sich nicht dadurch schützen, dass man Grenzen hochzieht. Identität ist etwas Dynamisches, das im Laufe der Jahrhunderte auch durch Migration und den Austausch von Kulturen gewachsen ist.

Sie haben in Graz als Priester die Kirche ihrer Gemeinde für die afrikanische Community geöffnet. Wollen Sie in Innsbruck ähnliche Zeichen setzen?

In der Diözese Innsbruck gibt es schon 16 fremdsprachige Gemeinden, auch eine große afrikanische. Das ist Weltkirche live in Tirol. Katholisch sein bedeutet, nicht auf eine Nation oder Kultur beschränkt zu sein. Jesus hat versucht, alle Menschen zu sammeln. Er war im Grenzgebiet des jüdischen Glaubens unterwegs – auch in jenen Städten, die schon damals multikulturell waren. Letztlich hat er sein Leben gegeben, um Versöhnung und Einheit zu ermöglichen.

Wir erleben derzeit bereits einen globalen Verteilungskampf. Welche Lehre müssen wir daraus ziehen?

Zuerst müssen wir eine neue Dankbarkeit lernen. All das viele wertschätzen, was uns täglich an Lebenschancen und Gaben zur Verfügung steht. Unmittelbar damit verbunden ist der Auftrag zum Teilen, das heißt die vorhandenen Güter so einzusetzen, dass sie dem Gemeinwohl dienen. In unserer Gesellschaft bemerke ich zwei Tendenzen: Einerseits eine wachsende Solidarität, ein Gespür für die vielen sozialen Schieflagen, und gleichzeitig einen wachsenden Egoismus und die Gier nach immer mehr. Faktum ist, dass Millionen von Menschen hungern. Trotzdem wird an den internationalen Börsen mit der Knappheit von Nahrungsmitteln und Saatgut spekuliert. Ist das nicht ein himmelschreiender Wahnsinn?

Werden wir es noch erleben, dass homosexuelle Paare in der Kirche getraut oder Frauen als Priester tätig sind?

Ich stehe für eine offene Kirche, weil Gott jeden Menschen willkommen heißt. Der Respekt vor allen Menschen – auch unterschiedlicher Lebensart und Beziehungen – ist mir deshalb ganz wichtig. Aber die Trauung von Homosexuellen in der Kirche kann ich mir nicht vorstellen. Wir sollten uns im Übrigen bei den sogenannten kirchlichen Reformthemen eine bestimmte Beweglichkeit bewahren. Mein erstes Anliegen sind sie jedoch nicht.

In Tirol hat man sich einen Tiroler als neuen Bischof gewünscht. Haben Sie als Steirer jetzt einen Malus?

Ich verstehe die anfängliche Frustration, aber ich sehe nicht, dass ich einen nachhaltigen Malus hätte. Vielleicht ist es eine Übung, den Bischof mit innerösterreichischem "Migrationshintergrund" anzunehmen. Es gibt doch viele Menschen, die sich in ihrem Leben schwer tun, weil sie bei niemandem und nirgendwo ankommen können.

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