Nach Routine-OP behindert: 687.000 Euro für Nadina

Nadina und ihre Familie
Mädchen erlitt 2008 schwere Hirnschäden. Jetzt erhält die Familie eines der höchsten je bezahlten Schmerzensgelder.

Der Vater hält seine im Rollstuhl sitzende Tochter Nadina im Arm und streichelt sie immer wieder beruhigend, während der Anwalt der Familie aus Kufstein noch einmal ihre Leidensgeschichte Revue passieren lässt. "Sechs Wochen lang war Nadina ein gesundes Kind", sagt der von der AK Tirol gestellte Rechtsbeistand Thomas Juen. Im Jänner 2008 musste das kleine Mädchen aber wegen eines Leistenbruchs an der Innsbrucker Uni-Klinik operiert werden. Nach dem Routineeingriff hatte das Mädchen einen schweren Gehirnschaden. Nadina wird ihr Leben lang ein Pflegefall sein.

"Acht Jahre musste die Familie kämpfen, um zu ihrem Recht zu kommen", bilanziert Tirol-Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl am Montag. Vonseiten der Klinik sei in dem Fall "abgestritten und vertuscht" worden. Nun ist das Schadenersatzverfahren abgeschlossen. Das Landesgericht Innsbruck hat Nadina eine Summe von rund 687.000 Euro zugesprochen.

"Das ist einer der höchsten bisher in Österreich zugesprochenen Schmerzensgeldbeträge", erklärt Juen. In dem Betrag sind rund 375.000 Euro für den Pflegeaufwand enthalten. Die Zahlungen belaufen sich für die Tirol Kliniken inklusive Zinsen und Verfahrenskosten laut Juen auf rund 850.000 Euro. Auch für weitere Folgekosten muss gehaftet werden, wodurch die Pflege für das Mädchen gesichert ist. Es braucht seit dem fatalen Eingriff rund um die Uhr Betreuung.

Ein Schlusspunkt

Am 24. November wird Nadina 9 Jahre alt. Die Familie ist nun am Ende eines zermürbenden Kampfes angekommen. "Für mich ist es wichtig, dass jemand für das Leid meines Kindes Verantwortung übernommen hat", sagt Mutter Indira Strobl."Ich kann jetzt leben", erklärt die Frau, die den Fall ihrer Tochter an die Öffentlichkeit gebracht hat.

Sie hadert aber noch damit, dass es nie strafrechtliche Konsequenzen in dem Fall geben wird. Der Anästhesist, der Nadina bei der OP im Jahr 2008 betreut hatte, wurde 2015 bei einem Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung freigesprochen. Die Anklage hatte vermutet, dass unter der Aufsicht des Mediziners eine Hypoxie – eine Unterversorgung des Hirns des Mädchens mit Sauerstoff – aufgetreten war. Die Vorwürfe wurden auch von Gutachtern gestützt. Die Dokumentation der Behandlung wies Lücken auf. Wer für die Hypoxie verantwortlich war, konnte nicht mit Sicherheit geklärt werden.

AK-Präsident Zangerl kritisiert ein System, "in dem man ohne die nötigen Finanzmittel nicht mehr zu seinem Recht kommt". Er sieht eine "unmenschliche Vorgangsweise" seitens der Klinik-Administration: "Das Leid allein ist genug für eine Familie. Und dann stehst du vor einem Gegner, gegen den du keine Chance hast." Zangerl vermutet, dass damit von Klinikseite bewusst taktiert wird. Es werde offenbar damit gerechnet, dass man irgendwann aufgibt. "So etwas darf nicht mehr geschehen", sieht Zangerl die Politik gefordert.

Im Fall Nadina ortete die Klinikdirektion ursprünglich einen "schicksalhaften Verlauf". Nadina kann weder gehen, noch sitzen und leidet immer wieder unter epileptischen Anfällen.

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