Murkraftwerk: "Wir wollen mehr Luxus, dafür braucht es Strom"

In Graz wurde erneut gegen die Staustufe demonstriert
Die Kontroverse um das neue Murkraftwerk in Graz hält an.

Christian Bauer sieht es pragmatisch. "Wasserkraft hat einen Wirkungsgrad von 90 Prozent. Das finden Sie bei keiner anderen regenerativen Energiequelle." Bauer ist Professor an der Technischen Universität Wien und verfolgt die Kontroverse um die Staustufe in Graz-Puntigam aus interessierter Distanz. "Ich nehme die Argumente dagegen ernst. Aber irgendwann muss man abwägen: Wir wollen immer mehr Luxus, dazu braucht es Strom."

Das neue Murkraftwerk ist laut Energie Steiermark (ESTAG) auf eine Leistung von 18 Megawatt ausgelegt, das bringt bis zu 80 Gigawattstunden Strom pro Jahr. Alternativen sähe er kaum, überlegt Bauer, Professor am Institut für Thermodynamik. "Wenn man einen Windpark mit der gleichen Kapazität errichten wollte, müsste man 100 Hektar roden", vergleicht Bauer. Wollte man Sonnenkraft nützen, müssten wohl sämtliche Dächer in Graz für Fotovoltaik umgebaut werden.

Obwohl der Stromverbrauch sinke, sei Österreich weit davon entfernt, energieautark zu werden: 35 bis 40 Prozent des Stroms müssen importiert werden, rechnet Bauer vor. "Da muss man sich fragen, ob ich das will, wenn Strom in Kohlekraftwerken produziert wird."

Rund 600 Kraftwerke

Auch die Sanierung bestehender Wasserkraftwerke würde den Ausbau nicht ersetzen. "Trotz aller Sanierung würden wir weiter importieren müssen." 500 Laufkraftwerke mit bis zu zehn Megawatt Leistung und 85 mit mehr als zehn Megawatt stehen übrigens derzeit in Österreich. Bauer geht davon aus, dass sich auch das neue Murkraftwerk rechnen werde, obwohl bereits der Verbund allein 19 Kraftwerke an der Mur betreibt. "Wenn ein Investor sagt, ich nehme Geld in die Hand, dann wird das schon einen Grund haben. Da geht’s ja richtig um Geld", meint der Professor. "Was sollte denn sonst die Motivation sein, ein Kraftwerk zu bauen? Die Leute ärgern? Das kann’s ja nicht sein."

107 statt 80 Millionen

Die Gegner der Staustufe bezweifeln aber exakt diese Wirtschaftlichkeit. 27 Millionen Euro an Förderungen von Bund, Land Steiermark und Stadt Graz steckten in dem Bau, rechnet Clemens Könczöl von "Rettet die Mur" vor. Zusammen mit den von der ESTAG genannten 80-Millionen-Euro-Investition koste die Staustufe dann also schon 107 Millionen Euro. Dazu komme noch der für die Staustufe nötige Speicherkanal um 60 Millionen Euro, den die Stadt Graz zahle.

"Das Kraftwerk wird schön gerechnet", kritisiert Könczöl. Gestern rief seine Plattform deshalb erneut zum Protest gegen das "Denkmal der Zerstörung" auf, diesmal am Hauptplatz vor dem Rathaus. Zentrale Forderungen bleiben die nach einem sofortigen Baustopp und einer Volksbefragung.

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