Milderes Jugendstrafrecht soll ausgeweitet werden

Milderes Jugendstrafrecht soll ausgeweitet werden
Jugendstrafrecht endet zu abrupt. Kuratorium fordert Ausweitung auf junge Erwachsene bis 21. Mit Umfrage.

Ein paar Wochen Altersunterschied machen vor einem Strafrichter "das Kraut fett": Unter der Volljährigkeitsgrenze droht Jugendlichen nur die halbe Strafe von Erwachsenen, ab 18 schlägt das Gesetz mit voller Härte zu. Ein 17-jähriger Handy-Räuber ohne Waffengewalt kann mit Diversion (Auflagen ohne Vorstrafe) gemaßregelt werden, sein 18-jähriger Komplize bekommt mindestens sechs Monate Haft; auch wenn diese nur bedingt ist, verpatzt sie seinen Leumund. Ist das gerecht? Und nachhaltig?

Die heimische Diskussion rund das Thema Kriminalpolitik wird um eine gewichtige und liberale Stimme bereichert: Der Bewährungshilfe-Verein Neustart hat hochkarätige Experten in einem Kuratorium vereint, die "als Player in der Debatte" auftreten möchten. Erster Schwerpunkt: Jugendkriminalität. Im Speziellen: das zu starre Jugendstrafrecht.

Irrglaube statt Fakten

Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer hält es für problematisch, dass "von einem Tag auf den anderen", also ab dem 18. Geburtstag, die doppelte Strafdrohung gilt. Der Jurist rät zum "gleitenden Übergang" bei jungen Menschen (18 bis 21). Durch Verfahrenseinstellungen und Alternativen zur Haft (z. B. gemeinnützige Arbeit), oder durch andere Gewichtung der Strafen (z.B. zwei Drittel der Strafhöhe von Erwachsenen). Immerhin sind 800 junge Erwachsene inhaftiert. Der Strafrechtler spricht von "Radikalisierung des Strafrechts", die auf dem Irrglauben beruht, dass hohe Strafen die Kriminalität eindämmen. Eher das Gegenteil sei laut Studien der Fall (siehe Interview unten).

Der landläufigen Meinung, die Jugend werde krimineller, hält Birklbauer Fakten entgegen. Anzeigen und Verurteilungen gingen seit 2008 um 30 Prozent auf 26.549 zurück. Österreich ist im Vergleich mit der Schweiz oder Deutschland ein Hochstrafen-Land: Dasselbe Delikt bringt hier höhere Haftstrafen ein. Die Schweiz forciert das Konzept "Freizeit-Strafe statt Freiheitsstrafe", in der Verurteilte nur übers Wochenende im Gefängnis sind. So gelingt es ihnen, soziale Kontakte zu behalten.

Für eine Ausweitung des Jugendstrafrechts setzen sich auch die weiteren Kuratoriumsmitglieder, Ex-Politikerin Heide Schmidt, Politologe Anton Pelinka, Jugendpsychiater Werner Leixnering, Ex-Vizekanzler Josef Pröll, Martin Schenk (Diakonie), Astrid Zimmermann (Presseclub Concordia) ein.

Der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer war zu Beginn seiner Laufbahn 15 Jahre ehrenamtlicher Bewährungshelfer. Seine Erfahrungen zog er auch daraus.

KURIER: Es heißt, man müsse Heranwachsenden Grenzen aufzeigen. Wie sollen die ausschauen?

Wir haben für eine Studie zum Ladendiebstahl 13- bis 15-Jährige befragt, was sie von einer Straftat abhält. Gerichtliche Strafen sind es nicht, der Aufgriff durch die Polizei schon eher, am meisten aber, von den Eltern zur Rede gestellt zu werden. Die Bezugsperson ist wichtig, auch mancher Lehrer, den man nicht enttäuschen will. Beziehungen halten von Straftaten ab, nicht Strafen.

Sie plädieren dafür, das Jugendstrafrecht auf junge Menschen bis 21 oder 25 auszudehnen. Warum?

Weil kriminelle Karrieren oft mit 22 oder 23 plötzlich aufhören. Erst dann hat der Mensch seine Position in der Gesellschaft gefunden, und einen Partner. Bis dahin zählt mehr sozialpädagogische Konsequenz und weniger die Strafe. Man sollte die formalen Grenzen aufheben. Wenn ein 18-Jähriger die Bundeshymne veräppelt, sagen wir, er singt: "Hurensöhne", statt "großer Söhne", landet er vor Geschworenen, es geht nichts mit Diversion (Auflagen ohne Strafe, Anm.) und er hat eine Vorstrafe. Den 17-Jährigen kann der Staatsanwalt zum Zeitgeschichte-Unterricht schicken und das Verfahren einstellen.

Kommentare