OGH

Mangelnde Schuldeinsicht darf keinen Einfluss aufs Urteil haben

Mangelnde Schuldeinsicht darf keinen Einfluss aufs Urteil haben
Eine Erhöhung der Strafe bei einem Bestreiten der Tat ist laut Gerichtshof nicht korrekt.

Österreichs Strafrichter bekommen dieser Tage Post vom Justizminister. Wolfgang Brandstetter weist in einem Erlass auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) hin, in dem es um einen gern herangezogenen Erschwerungsgrund bei der Strafzumessung geht: Die mangelnde Schuldeinsicht eines leugnenden Angeklagten lässt manche Urteile strenger ausfallen.

Das ist laut OGH jedoch nicht gesetzeskonform und muss im Fall einer Berufung daher repariert werden.

Anfrage

Angeprangert hat die unkorrekte Gerichtspraxis die FPÖ, die ansonsten nicht gerade durch Gnadenakte für Straftäter auffällt. In einer parlamentarischen Anfrage an den Justizminister wurde Auskunft begehrt, was gegen die Verhängung höherer Strafen für leugnende Angeklagte getan werde.

Brandstetter sagte die Übermittlung eines Erlasses sowie ein Einfließen der Problematik in die Richterausbildung zu.

Der Anlassfall betraf eine Buchhalterin, die in ihrer Firma 100.000 Euro veruntreut hatte. Sie wollte ihre Schuld bis zuletzt nicht einsehen und wurde – auch deshalb – zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verdonnert.

Der OGH führte aus, dass ein Geständnis ein wichtiger Milderungsgrund ist und es erlaubt, die Strafe zu mäßigen. Der Umkehrschluss, also eine Erhöhung der Strafe bei einem Bestreiten der Tat, ist aber nicht korrekt. Schließlich dürfen sich Angeklagte verantworten, wie sie wollen, und daher auch straffrei lügen bzw. leugnen.

Für die Buchhalterin hat sich der Wegfall des fälschlich herangezogenen Erschwerungsgrundes ausgezahlt. Der OGH senkte die Strafe auf zwei Jahre teilbedingt, wovon die Frau nur acht Monate absitzen muss.

Pyramidenspiel

Es ist bei weitem kein Einzelfall, in dem die fehlende Schuldeinsicht fälschlich strafverschärfend wirkte. Aber sogar der OGH billigte diese Praxis noch bis 1997. Damals erhöhte er höchstselbst die unbedingte Haftstrafe für einen Pyramidenspiel-Betrüger um zwei Monate, weil dieser noch bei der Berufungsverhandlung "seine Schulduneinsichtigkeit zum Ausdruck brachte".

Bei der Frage, ob sich ein Straftäter bewähren darf, kann sich so ein stures Beharren auf der vermeintlichen Schuldlosigkeit übrigens sehr wohl negativ auswirken. Es geht dabei um die Prognose des künftigen (Wohl-) Verhaltens: "Wenngleich es jedem Angeklagten freisteht, die ihm am günstigsten scheinende Verantwortung zu wählen, kann eine bis zuletzt an den Tag gelegte Schulduneinsichtigkeit als wichtiges Indiz für mangelnde Besserungswilligkeit nicht außer acht bleiben", stellte der OGH bei der (strengen) Beurteilung eines Sextäters fest.

Kommentare