"Kurt hat den Krebs selbst verursacht"

"Kurt hat den Krebs selbst verursacht"
Daniela Kuch & Hellmut Samonigg: Die Schwester und der Onkologe von Kurt Kuch fordern strenge Rauchergesetze.

Im April 2014 veränderte die Diagnose Lungenkrebs das Leben des bekannten Aufdeckerjournalisten Kurt Kuch. Bis dahin jagte er als NEWS-Chefreporter korrupte Politiker, ab diesem Zeitpunkt kämpfte er gegen Krebs. Neun Monate hielt er durch, und bewegte am Krankenbett mehr als viele andere vom Schreibtisch aus. Er machte seine Erkrankung öffentlich, initiierte gemeinsam mit dem bekannten Grazer Onkologen Hellmut Samonigg die Kampagne Don’t smoke. Am 3. Jänner siegte der Krebs über die Willenskraft von Kurt Kuch. Seine Schwester, Daniela Jahn-Kuch begleitete Ihren Bruder als Palliativ-Medizinerin bis zum letzten Atemzug. Gemeinsam mit dem Onkologen Samonigg will sie die Initiative nun zum Erfolg führen.

KURIER: Frau Jahn-Kuch, Wenige Tage nach dem Tod Ihres Bruders kündigte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner an, ein Rauchverbot durchzusetzen. Glauben Sie an die Durchsetzung?

Daniela Jahn-Kuch: Wir sind überzeugt, dass die Einigung kommen wird. Die Frage wird sein, wie gut ist die Lösung? Denn nur das Rauchverbot in Restaurants ist zu wenig. Es braucht ein ganzes Maßnahmen-Paket. Wir, von der Kampagne Don’t smoke, werden dafür kämpfen, dass es auch ein Rauchverbot bis 18 Jahren geben muss.

"Kurt hat den Krebs selbst verursacht"
Interview mit OA Dr. Daniela Jahn-Kuch, der Schwester des an Lungenkrebs verstorbenen Journalisten Kurt Kuch, und Univ. Prof. Dr. Hellmut Samonigg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Beide engagieren sich für die Anti-Raucher-Initiative "Don't Smoke". Wien, am 28.01.2015
Hellmut Samonigg:Österreich ist Schlusslicht bei den Rauchergesetzen. Nun muss es auch beim Rauchen ein Umdenken geben.

In Österreich ist man mit 14 Jahre straffähig, ab 16 darf man wählen. Warum soll man erst ab 18 rauchen dürfen?

Samonigg: Zwischen der Freiheit wahlberechtigt zu sein, und der Tatsache, toxische Substanzen zu inhalieren, ist ein großer Unterschied. Fakt ist, in jeder Zigarette sind 30 bis 50 krebserregende Stoffe enthalten. Zahlreiche Beispiele in den Nachbarländern zeigen, sobald das Rauchverbot bis 18 eingeführt wird, steigt das Anfangsalter deutlich. Wir wissen heute, wer bis 20 kein Raucher ist, wird auch keiner mehr. Eine Gallup-Studie zeigt auch, dass 82 Prozent der Österreicher für die Anhebung des Alters sind.

Um wie viel Prozent konnte die Raucherzahlen bei den Jugendlichen gesenkt werden?

Samonigg: In Deutschland wurde das Alter auf 18 angehoben und ein Rauchverbot in Lokalen verhängt wurde. Dadurch reduzierten sich die Raucher bei den Jugendlichen um über 50 Prozent.

Frau Jahn-Kuch, Ihr Bruder Kurt hat die Initiative mit Don’t smoke mit ins Leben gerufen. Sie wurden erst nach Kurts Tod in den Medien aktiv. Sehen Sie es als Ihre Erbe an, der Kampagne zum Erfolg zu verhelfen?

Daniela Jahn-Kuch:Erbe ist ein großes Wort. Ich glaube, Kurt hätte mich nie als Erbin gesehen, weil ich nie eine Führungsperson war. Er war das Alphatier unter uns Geschwistern. Aber seine Kraft für die Sache war einfach ansteckend. Noch vor einem Jahr hätte Kurt für die Freiheit der Raucher plädiert. Doch ein Raucher ist nie frei. Er wird von der Sucht dominiert. Das hat Kurt erst während seiner Erkrankung erkannt. Von da an hat er eine 180-Grad-Wendung gemacht. Sogar bei der letzten Kama-Party, die er schon seit vielen Jahren mitveranstaltet hat, setzte er durch, dass die Party rauchfrei ist. Und trotzdem kamen 1400 Menschen. Dieser Erfolg hat Kurt noch wenige Tage vor seinem Tod wahnsinnig stolz gemacht. Seine Energie, die er in die Sache gesteckt hat, möchte ich weiterführen. Das bin ich meinem Bruder einfach schuldig.

Haben Sie versucht, Ihren Bruder das Rauchen auszureden?

Jahn-Kuch: Mehrmals natürlich. Wir haben im Zuge der Erkrankung gemeinsam alte Familienvideos angeschaut. Da entdeckten wir ein Video, das ich vor 20 Jahren gedreht habe, wo sich Kurt gerade eine Zigarette anzündet. Im Video sage ich zu ihm: "Hat dir noch niemand gesagt, dass dich das Rauchen umbringen wird?" Darauf lächelt er mich an, qualmt in Richtung Kamera und meint: "An irgendetwas muss ich ja sterben." Wir wissen beide, wenn er damals aufgehört hätte, wäre Kurt heute noch da. 80 bis 90 Prozent der Lungenkrebse hängen mit dem Rauchen zusammen. Kurt wusste, dass er den Krebs selbst verschuldet hat. Diese Erkenntnis hat meinem Bruder in seinen letzten neun Monaten am meisten geschmerzt. Deswegen war ihm die Initiative so wichtig.

War es Kurt Kuch bewusst, dass er den Kampf gegen den Krebs kaum gewinnen kann?

Jahn-Kuch: Dass es für ihn sehr knapp werden wird, wusste er. In seinen letzten Tagen hat er zu mir gesagt: "Jetzt weiß ich, was es heißt, um sein Leben zu kämpfen." Kurt hat nie aufgegeben, er blieb immer voller Hoffnung. Lange war mir nicht klar, woher diese Kraft kam? Durch seinen Gang an die Öffentlichkeit, hat er so viel positives Feedback bekommen, dass Kurt die letzten neun Monate von einer Welle getragen wurde. Mein Bruder war auf seine ganz eigene Art stark und hat so auch die ganze Familie durch die neun Monate geleitet.

Welche Hoffnungen hatte Kurt?

Jahn-Kuch: Kurt hoffte, dass er Lebenszeit verlängern kann. Auf der Kama-Party am 25. Dezember konnte er wegen einer tumorbedingten Stimmbandlähmung nicht mehr sprechen und war extrem kurzatmig. Trotzdem hielt er über eine Stunde auf der Party aus. Als wir gingen, dreht er sich um, schaute nochmals in den Saal, in dem zig seiner engsten Freunde feierten. Auf einen Zettel schrieb er mir: "Bin ich zu Ostern noch dabei?" Ich bin überzeugt, dass er zu Ostern dabei ist, weil er noch nicht weg ist. Aber er wusste, wie es um ihn steht.

Was antwortet man in so einer Situation seinem Bruder?Das war ein schlimmer Moment für mich. Ich antwortete: "Kurt, wir machen weiter." Ich habe auch auf ein Wunder gehofft – trotz allem.

Hat Kurt Kuch mit seiner Art den Krebs öffentlich zu machen, auch die Krankheit aus einer Tabuzone geholt?

Samonigg:Wie er seine Krankheit in die Öffentlichkeit getragen hat, war eine absolute Ausnahme. Er konnte mit seinem Outing auch umgehen, das können nicht alle Prominenten. Ich bin mir sicher, er hat dazu beigetragen, Krebspatienten Mut zu geben, zur Krankheit zu stehen.

Sie sind Palliativ-Medizinerin. Wie schwer war es, den eigenen Bruder in den Tod zu begleiten?

Jahn-Kuch: Ich habe die Problematik erkannt, und mir durch Supervision auch Hilfe gesucht. Ich zwar ständig am aktuellen Stand der Behandlung, aber nie ein Teil des Medizinerteams, weil Kurt auf der Onkologie behandelt wurde. Mir hat es geholfen zu wissen, dass ich von Kollegen umgeben bin, die ich jederzeit über den Status quo fragen kann. Das hat mir eine gewisse Art von Sicherheit gegeben. Wenn er zwischen den Chemos zu Hause war, habe ich wenn notwendig seine laufende Medikation, vor allem bei Schmerzen, adaptiert.

Wann hoffen Sie, dass das Anti-Raucher-Gesetz umgesetzt wird?Samonigg: Wir hoffen, dass ein Paket vor dem Sommer als Gesetz durchgeht und, dass Ende des Jahres alle Lokale rauchfrei sind.

Weg mit dem Glimmstängel

Der Lungenkrebstod des Journalisten und Kettenrauchers Kurt Kuch rüttelte Österreich auf. Jahrelang gab es nur halbherzige Lösungen, aber wenige Tage nachdem Kuch den Kampf gegen den Krebs verloren hatte, kündigte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner an, noch heuer das Rauchverbot in Lokalen durchzusetzen. Derzeit wird noch gerechnet, wie man die Wirte für die aufwendigen Umbauten entschädigen kann. Der Initiative Don’t smoke ist das zu wenig. Sie will auch ein Rauchverbot bis 18. Denn die Folgen des Rauchen sind enorm: So gibt es pro Stunde einen toten Raucher; alle acht Stunden einen toten Passivraucher; alle sechs Wochen eintausend Begräbnisse von Rauch-Opfern; Eine um 9,3 Jahre verkürzte Lebensdauer bei Männern, die zehn Zigaretten pro Tag rauchen. 7,3 Lebensjahre minus bei rauchenden Frauen.

www.dontsmoke.at


Kommentare