Kriminalisten fürchten neue Welle von Eigentumsdelikten

Kriminalisten fürchten neue Welle von Eigentumsdelikten
Nach dem Suchtgifthandel könnten auch die Diebstähle stark ansteigen.

Der durch eine Strafrechtsreform erschwerte Nachweis der Gewerbsmäßigkeit von Tatverdächtigen hat vor allem in Wien zu einer explosionsartigen Zunahme des Straßenverkaufs von Suchtmitteln geführt. Zumindest bezüglich der Drogendealer soll das Gesetz repariert werden. Kriminalisten fürchten aber, dass sich auch bei der Eigentumskriminalität eine ähnlich dramatische Entwicklung anbahne. Denn auch immer mehr Einbrecher und Diebe müssten auf freiem Fuß angezeigt werden.

Exemplarisch ist für Polizisten der Fall jenes Asylwerbers, der im Juli 2015 bei seiner Festnahme in Wien angeblich von Polizisten misshandelt wurde. Er wurde wegen eines mutmaßlichen Taschendiebstahls festgenommen und anschließend mit einer Anzeige wieder auf freien Fuß gesetzt. Schon am nächsten Tag wurde er bei einem Autoeinbruch in Wiener Neustadt neuerlich festgenommen. Auch diesmal blieb ihm die U-Haft erspart, und er tauchte unter.

Diese Fälle häufen sich, meint der im Bundeskriminalamt für Organisierte und Allgemeine Kriminalität zuständige Ernst Geiger. Die Strafverfolgung würde erschwert durch die Senkung der Strafmaße bei bestimmten Eigentumsdelikten und durch den erschwerten Nachweis der Gewerbsmäßigkeit. Dies beschränke die Eingriffsrechte der Polizei. Dadurch sei es beispielsweise nur mehr selten möglich, eine Telefonüberwachung genehmigt zu bekommen.

Mobile Organisationen

Das hätten die Chefs der sogenannten MCOs (Mobile Criminal Organisation) schon mitbekommen. Massiv im Steigen seien jetzt Delikte wie Taschen- und Ladendiebstahl sowie Bedrängnis- und Trickdiebstähle. Wenn der Festgenommene nach einer Anzeige wieder auf freien Fuß gesetzt werde, sei die Abschreckung gleich null. Denn die meisten Verdächtigen hätten keinen festen Wohnsitz und seien dann auch nicht mehr zu finden. Ein weiteres Problem: Im Gegensatz zu den räumlich eingegrenzten Drogendelikten würde sich die Eigentumskriminalität über das gesamte Land ausdehnen.

Auch der Zeitpunkt für die Lockerungen wird von den Kriminalisten als ungünstig angesehen. Erst kürzlich hatte der Wiener Vize-Polizeichef Karl Mahrer gewarnt, dass bald "Hunderttausende Menschen in Wien, darunter 40.000 Menschen mit Asylstatus, auf der Straße stehen und keine Perspektive haben". Und Österreichs Kripo-Chef, General Franz Lang, stellte fest, dass auch Probleme von illegalen Migranten zu befürchten seien, die von den Schleppern gezwungen würden, hier zu bleiben, um Geld zu verdienen.

Sektionschef Christian Pilnacek vom Justizministerium versteht die Kritik nicht: "Wir haben auf Verlangen des Innenministeriums extra einen Passus ins Gesetz aufgenommen, wonach bei Einsatz besonderer Befähigung sehr wohl auch eine gewerbsmäßige Begehung angenommen werden kann." Bei "professionellen" Taschendieben sei es also nach wie vor möglich, nachzuforschen, ob eine kriminelle Organisation dahintersteht.

Der für das Strafrecht zuständige Sektionschef erinnert an den Hintergrund, warum die Gewerbsmäßigkeit neu geregelt wurde: Es sei in keiner Relation gestanden, den mit einer Zahnpastatube erwischten Kaufhausdieb wochenlang in U-Haft zu sperren. Den von Kriminalisten gemeldeten Anstieg bei den Vermögensdelikten seit Gültigkeit der neuen Strafgesetze führt Pilnacek auf erhöhte Reisebewegungen und Migration zurück. Es sei eventuell Teil einer Welle, die man in Ruhe analysieren sollte, ohne gleich Schnellschüsse abzufeuern.

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