Kraftwerksbau mit und ohne Protest

Widerstand gegen Mur-Staustufe in Graz. In Salzburg verlief ein Neubau dagegen fast problemlos.

84 Schlangen sollen das Murkraftwerk zu Fall bringen. Das hoffen zumindest die Grazer Grünen und kündigen Strafanzeige gegen die Energie Steiermark (ESTAG) an. Es sei der "Tod Hunderter Würfelnattern in Kauf genommen worden", als die Bäume am Murufer gerodet wurden, rügt Gemeinderätin Andrea Pavlovec-Meixner.

Damit ist der Protest gegen das Kraftwerk in Graz-Puntigam deutlich schärfer geworden. Zivilgesellschaftlich wird demonstriert, aktivistisch blockiert und politisch debattiert. Jetzt folgt die juristische Komponente: Der Bestand an EU-geschützten Nattern hätte "möglichst vollständig" von der Murböschung gesammelt und umgesiedelt werden müssen, das sei eine Auflage der Umweltverträglichkeitsprüfung, betont Pavlovec-Meixner. Die 84 Schlangen seien viel zu wenige. "Es braucht einen Baustopp", erneuert die Gemeinderätin eine grüne Forderung.

Seitens der ESTAG kommentiert Sprecher Urs Harnik-Lauris, dass sich die Grünen wohl nur "unzureichend informiert" hätten: "Sämtliche Auflagen wurden erfüllt." Es seien 755 Reptilien aus fünf Arten aufgesammelt worden.

Ohne Proteste

Schauplatzwechsel. An der Salzach steht das Kraftwerk im Salzburger Stadtteil Lehen seit 2013. Mitten in der Stadt wurde es nach dreijähriger Bauzeit fertiggestellt - trotz Kritik von Anrainern und Naturschützern ohne Proteste. Sogar die Grünen machten sich dafür stark.

So viel Harmonie wünschte man sich offenbar auch in Graz: Der Salzburger Planungsstadtrat Johann Padutsch (grüne Bürgerliste) erinnert sich, dass die Betreiber des Murkraftwerks in Salzburg nachgeforscht hätten, wie das damals abgelaufen ist. "Ob sie etwas daraus gelernt haben, weiß ich nicht", kommentiert Padutsch.

Im Gegensatz zu den Grazer Grünen war Padutsch stets ein Fürsprecher des Baus – wenn auch unter Bedingungen, wie er betont: So habe er von der Salzburg AG eine Verbesserung der Gewässerökologie und der Naherholungsmöglichkeiten sowie eine besondere Architektur gefordert. Auch im Umgang mit den Projektgegnern habe es Zugeständnisse gegeben. Ein eigener Ombudsmann sei rund um die Uhr erreichbar gewesen. "Es ist von Anfang an ganz offen mit Interessierten und Anrainern kommuniziert worden", versichert Padutsch.

Kritiker verstummten

Das bestätigt auch ein früherer Kritiker des Projekts, der namentlich nicht genannt werden will: "Die Salzburg AG hat das mit Anrainerversammlungen vorbildlich abgewickelt und hat versucht, dabei die Leute ins Boot zu holen", meint der Herr, der direkt am Ufer seinen Firmensitz hat. Zu jeder Informationsveranstaltung seien stets an die 150 Besucher gekommen. Protest aus den Reihen der Anrainer habe es höchstens verbal gegeben.

Baulärm, gesperrte Straßen und Umleitungen: "Jetzt ist es gar kein Thema mehr. Aber man muss schon sagen, während der Bauzeit eines Kraftwerks sind die Belastungen für die Anrainer sehr hoch." Dafür sei man jetzt mit dem "architektonischen Highlight" und dem zusätzlich geschaffenen Salzach-Übergang zufrieden.

In Graz ist man von Zufriedenheit weit entfernt. Freitag ruft die Plattform "Rettet die Mur" erneut zur einer Demonstration auf, ab 14 Uhr soll "Leben und Freude an die Mur zurückgebracht werden", heißt es. Für Freitagfrüh plant die "Aktion Baustopp" eine Aktion "friedlichen zivilen Ungehorsams".

Drei Minuten lang ist das youtube-Video, das Kraftwerks-Gegner hochgeladen haben: Darin werden detaillierte Tipps gegeben, wie denn die Baustelle am besten zu blockieren sei. Und zwar in einer Weise, dass Aktivisten keine Konsequenzen befürchten müssen.

So wird geraten, Ausweis und Mobiltelefon zu Hause zu lassen, dafür Kopfbedeckung und Gesichtsschutz zu tragen. An den Sicherheitskräften solle man vorbei gehen, denn die dürften niemanden aufhalten. "Macht’s euch gemütlich auf einem Gerät eurer Wahl", heißt es dann weiter. Und bis die Polizei kommt, "einfach chillen".

Herbert Fuik von der Landespolizeidirektion betont, rechtlich gäbe es keine Handhabe dagegen. "Im Internet gibt’s viele Anleitungen bis hin zum Bombenbau. Dagegen kann man wenig tun."

Wenig kann die Polizei auch ausrichten, wenn Aktivisten tatsächlich so vorgehen. Allgemeine Ausweispflicht gibt es keine. "Zur Identitätsfeststellung können wir schon jemanden mitnehmen", erläutert Fuik. "Aber wenn wir die Identität nicht feststellen können, dann müssen wir ihn nach 24 Stunden gehen lassen." Eine Lücke im Verwaltungsstrafrecht, die die Polizei freilich gerne geschlossen sähe. Denn hartnäckig schweigende Aktivisten kommen so um Verwaltungsstrafen (bis zu 720 Euro) herum.

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