Kleinwalsertal: Dämmerung im Steuerparadies

Bürgermeister Andi Haid (ÖVP)
In Jungholz und im Kleinwalsertal wurden Milliarden geparkt. Nun geht die Ära ihrem Ende zu.

Es wirkt wie ein absurdes Denkmal, das an goldene Zeiten erinnert. Ein mächtiger Betonklotz nimmt eine der beiden Ortseinfahrten des Tiroler Bergdorfs Jungholz ein, das nur über deutsches Staatsgebiet erreicht werden kann. Bereits seit zwei Jahren steht das Gebäude in der Enklave leer, in dem zuvor die Volksbank vor allem deutsche Kunden betreute. Anfang des Jahres räumte auch die Tiroler Sparkasse am anderen Ortsende das Feld und hinterließ ein leeres Haus.

Jungholz hat sich in der Vergangenheit einen Namen unter deutschen Anlegern gemacht. Die schätzten vor allem die Diskretion, die das österreichische Bankgeheimnis bot und mit dem offensiv geworben wurde. Steuerflüchtlinge nutzten das Angebot weidlich, was sich in der Bankendichte niederschlug. Drei Institute machten in der Kleinstgemeinde mit 300 Einwohnern Geschäfte und sollen in den besten Zeiten vier Milliarden Euro an Kundenvermögen verwaltet haben.

Geblieben ist nur das Bankhaus Jungholz von Raiffeisen. In einem Fenster des riesigen, aus zwei Gebäuden bestehenden Komplexes, wird eine Urkunde vom deutschen Handelsblatt zur Schau gestellt. Demnach darf sich die Bank im Dorf zur "Elite der Vermögensverwalter im deutschsprachigen Raum" zählen.

Kleinwalsertal: Dämmerung im Steuerparadies
Die Tiroler Enklave Jungholz war jahrelang ein Paradies für deutsche Steuerflüchtlinge. Der zugezogene Niederländer Jakob Hut glaubt weiter an eine Zukunft des Bergdorfs.

Auf der anderen Straßenseite bringt Jakob Hut in der Frühlingssonne eine Sitzbank mit dem Hobel wieder in Schuss. 2013 ist der Niederländer in den Ort gezogen und wurde dadurch Zeuge der Geld-Rückholaktionen deutscher Anleger: "Es waren meistens ältere Leute, die mit Taschen gekommen sind und sich nicht getraut haben, vor der Bank zu parken. Da sind schon auch mal Ferraris dabei und viele Autos der höheren Mittelklasse", erzählt der 60-Jährige lachend.

Die Nervosität bei Deutschen, die ihr Geld vor dem Fiskus versteckt haben, ist bestens begründet. Vor einem Jahr hat Österreich das Bankgeheimnis für Ausländer zum Auslaufmodell erklärt. 2017 startet der automatische Informationsaustausch mit Deutschland. Bereits in den Jahren zuvor hat die deutsche Finanz mit dem Ankauf von Steuersünder-CDs Druck auf Abgabenhinterzieher gemacht. Der Fall Uli Hoeneß tat das Seine dazu und befeuerte die Panik.

Ein Ort, sechs Banken

Die Auswirkungen gehen auch am Vorarlberger Kleinwalsertal nicht spurlos vorüber. Wie Jungholz eine Enklave, weist auch die dortige Gemeinde Mittelberg mit ihren drei Dörfern eine enorme Bankendichte auf. Im Hauptort Riezlern mit seinen rund 2500 Einwohnern waren bis vor kurzem sechs Banken beheimatet. Im Zentrum stolpert man förmlich von Filiale zu Filiale, auch wenn zwei Geldinstitute inzwischen ihrer Türen geschlossen haben. Eine weitere macht im Juni dicht.

"Das tut natürlich weh", sagt Bürgermeister Andi Haid (ÖVP). Denn nicht nur die Banken verlieren Geschäft, sondern auch die Gemeinde. Durch die Schließung der drei Institute gehen jährlich rund 100.000 Euro an Abgaben im 30-Millionen-Budget verloren. Im wichtigsten Wirtschaftszweig des schmucken Kleinwalsertals – dem Tourismus – spielten die Geldtouristen kaum eine Rolle, auch wenn sie ihre Geschäfte mitunter mit einem Kurzurlaub verbunden haben.

Kleinwalsertal: Dämmerung im Steuerparadies
Das Kleinwalsertal umfasst die Gemeinde Mittelberg und die drei Orte Mittelberg, Hirschegg und Riezlern (im Bild). Die Vorarlberger Enklave war jahrelang ein Paradies für deutsche Steuerflüchtlinge. Der Deutsche Axel Adomeid lebt seit 30 Jahren in Riezlern

"Die hat man daran erkannt, dass sie den Montag noch ans Wochenende für ihren Banktermin drangehängt haben", erzählt der pensionierte Zimmervermieter Axel Adomeid. Mit seinen ins Schwitzen geratenen Landsleuten hat der gebürtige Deutsche keine Mitleid: "Wer steuerlich alles richtig gemacht hat, braucht nichts zu befürchten."

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