„Der Psychiater hat mich ruiniert“

Prozess, Mord, Reichenau, Verhandlung gegen Judith M. wegen Kindesmords am Landesgericht Linz, Sohn David, Reichenau, Anwalt Mauhart, Psychiatrischer Gutachter Reinhard Haller
Verhinderte Erbin klagt Gerichtsgutachter Reinhard Haller auf 1,35 Millionen Euro Schadenersatz.

Das Drehbuch für den am Donnerstag stattfindenden Gerichtstermin spielt alle Stückerln. Erbschaftsstreit, finanzieller Ruin und ein berühmter Psychiater, der auf der Anklagebank sitzt.

Inge Staudinger, 52, hat sich einen äußerst versierten Experten als Klagsgegner ausgesucht: den Vorarlberger Psychiater und Gerichtsgutachter Reinhard Haller.

Die Vorgeschichte: Staudingers Großvater setzte im Jahr 1997 ein notariell beglaubigtes Testament auf. Neben diversen Schenkungen vermachte er seiner Enkelin Inge Staudinger ein großes Grundstück in Kitzbühel. Der Großvater starb 88-jährig im Jahr 2000. Geerbt hat Staudinger bisher jedoch keinen Cent.

Grund dafür ist unter anderem ein psychiatrisches Gutachten, das Haller über den Großvater erstellt hat – nach dessen Tod. Unter anderem dadurch wurde das Testament für ungültig erklärt. Das Erbe ging entgegen dem Letzten Willen des Großvaters an Staudingers Mutter.

Staudingers Anwalt Helmut Schott: „Als der Großvater das Testament 1997 gemacht hat, war er weder krank noch sonst irgendwie beeinträchtigt.“ Erst im Jahr 1999, knapp eineinhalb Jahre nach der beglaubigten Unterschrift, sei er wegen geistiger Verwirrungszustände entmündigt worden. Später, 2000, wurde eine Mischform aus Alzheimer und Demenz bei ihm festgestellt. Zeugen, die auch in Hallers Gutachten zu Wort kommen, berichten davon, dass sie 1997 keinerlei verwirrten Zustand, respektive mangelnde Geschäftsfähigkeit bei dem Großvater festgestellt hätten (das Gutachten liegt dem KURIER vor).

Dennoch kommt Haller zum Schluss, dass „mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen (ist), dass die demenzielle Entwicklung zum Zeitpunkt der Unterzeichnung am 06. 11. 1997 schon soweit fortgeschritten gewesen ist“ und daher die „medizinische psychiatrischen Voraussetzungen sowohl der Geschäfts- als auch der Testierfähigkeit (die Fähigkeit, ein Testament aufzusetzen, Anm.) nicht mehr gegeben waren“.

Schott lässt an diesem Gutachten (und an drei ähnlich begründeten Vorgutachten) kein gutes Haar. Wie Haller im Gutachten selbst bestätigt, hat er die Form der „Interpolation“ vorgenommen. Laienhaft erklärt: Eine psychiatrische Rückschau auf den bereits verstorbenen, dem Arzt unbekannten „Patienten“. Anwalt Schott: „Interpolation ist eine unzulässige Methode, wie Haller selbst in einem anderen Verfahren einmal zugegeben hat.“

Inge Staudinger will von Haller nun jene 1,35 Millionen Euro erstattet haben, die ihr Erbe wert gewesen sein soll: „Der Psychiater hat mich ruiniert. Ich bin arm wie eine Kirchenmaus.“ Der Prozess findet Donnerstag in Feldkirch statt.

Haller war vorerst nicht erreichbar.

Foto picturenews.at

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