Kein Versicherungsschutz für Notlandung auf Baumwipfel

Auf Baumwipfel gelandet
Gleitschirm-Pilot stürzte beim Abstieg von Tanne. Laut OGH war der Flug damit noch nicht beendet.

Unter Juristen lässt sich trefflich darüber streiten, was die typischen Gefahren einer Luftfahrt sind und wann sie enden. Mit der Landung auf festem Boden? Und wie ist das bei einer Notlandung auf einem Baumwipfel? Die Frage ist insoweit von Belang, als davon abhängt, ob Unfallversicherungsschutz vorliegt oder nicht. Dazu gibt es jetzt ein Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofes.

Ein Vorarlberger startete zu einem Gleitschirmflug, bei dem er aufgrund von Turbulenzen an Höhe verlor, sodass er sich zu einer Notlandung entschloss. Mangels anderer Alternativen wie zum Beispiel eines freien Feldes, steuerte er eine rund 40 m hohen Tanne an. Er verfehlte den Wipfel nicht und landete darauf. Noch ging es dem Hobbysportler den Umständen entsprechend gut. Er telefonierte per Handy mit seiner Ehefrau und verständigte auch den Rettungsdienst, dem er mitteilte, dass er unverletzt sei und in Kürze den Baum hinunterklettern werde.

Weil der Mann befürchtete, der Rettungsdienst werde mit dem Hubschrauber anrücken und durch den Luftwirbel den Gleitschirm aus dem Geäst herausreißen, packte er sein Fluggerät ein und verpackte es im Rucksack. So beladen begann er den Abstieg.

Vom Wipfel aus konnte er nicht sehen, dass der Tanne unten die Äste fehlten. Deshalb rutschte er die letzten fünf bis sechs Meter den Stamm entlang hinunter, wobei er noch schnell den 15 kg schweren Rucksack abwarf. Beim Aufkommen auf dem Boden verletzte sich der Mann schwer, seither ist er wegen Brüchen des rechten Sprungbeins, des Fersenbeins sowie zweier Lendenwirbel zu 24 Prozent dauerinvalide. Doch zum Glück im Unglück hat der Sportler ja eine Unfallversicherung, von der er 25.000 Euro begehrte.

Die Versicherung fühlte sich allerdings nicht zuständig: In den Bedingungen ist nämlich die Haftung für Unfälle der versicherten Person als Luftfahrzeug- bzw. Luftsportgeräteführer ausgeschlossen.

Der Verletzte entgegnete, er sei zum Zeitpunkt des Unfalls gar nicht mehr Luftfahrzeugführer gewesen. Diese Funktion habe mit der verletzungsfreien Landung auf dem Baumwipfel geendet. Danach sei er Baumkletterer und damit versichert gewesen.

Der Abstieg als Wagnis

Der Mann blitzte in allen Instanzen ab. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hielt zunächst fest, dass der Hobbysportler ohne die flugbedingte Notlandung weder den Baumgipfel erreicht hätte noch in die Verlegenheit gekommen wäre, einen fünf Meter langen Abstieg – eher ein Abrutschen – zu wagen. Der Flug kann erst dann als beendet angesehen werden, wenn das Luftfahrzeug so verlassen worden ist, dass die damit verbundenen Gefahren gebannt sind. Und das ist laut OGH erst mit dem "Erreichen festen Bodens" unter den Füßen der Fall.

Thomas Aigner vom Institut für Multimediale Rechtsstudien der Uni Linz hält das Urteil in der Zeitschrift für Verkehrsrecht (Manz) für nachvollziehbar: Die Versicherung solle im Prinzip nicht mehr Risiko tragen als bestehen würde, wenn das Luftsportgerät erst gar nicht in Betrieb genommen worden wäre.

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