"Kein Platz für Multitasking-Versuche"

"Kein Platz für Multitasking-Versuche"
Unachtsamkeit ist Unfallursache Nummer eins - Debatte über Maßnahmen gegen Handy-User.

Sogar Alexander Wurz, Ex-Formel-1-Pilot und zweifacher Le-Mans-Sieger, baute bei 130 km/h auf der Autobahn einen schweren Crash.

Bei der Präsentation der neuen Sicherheitskampagne "Handy weg vom Steuer" testete er auf dem Laptop das Online-Spiel der Asfinag. Dabei wird der Lenker verschiedenen Ablenkungen während der Fahrt ausgesetzt. "In der Realität wäre ich im günstigsten Fall mit einem Blechschaden davongekommen. Bei diesem hohen Tempo muss aber mit Verletzten und Toten gerechnet werden." Das Online-Spiel ist ab 30. Juni auf asfinag.at abzurufen.

Politik unter Druck

Jahrelang wurde der Unfall-Auslöser Ablenkung hinter dem Steuer ignoriert. Aktuelle Erkenntnisse setzen die Politik jetzt unter Druck. Denn Ablenkung gilt mittlerweile als der häufigste Unfallgrund mit Verletzten und Toten auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen. Bereits 21 Menschen starben heuer bei Unfällen im übergeordneten Straßennetz. Sechs davon kamen nachweislich durch Ablenkung zu Tode (die Dunkelziffer dürfte höher sein).

Asfinag, Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) und Innenministerium sind für die breite Kampagne "Handy weg vom Steuer" verantwortlich. Radio-Spots, Inserate und Plakate sollen Lenker sensibilisieren. Doch nur mit Kampagnen können über Jahre eingebürgerte Fehler nicht behoben werden.

Verkehrsministerin Doris Bures dürfte das ähnlich sehen: "Sollten sich keine positiven Veränderungen einstellen, ist auch eine Erhöhung der Strafen bei der Nutzung von Handys hinter dem Steuer denkbar." Erst kürzlich wurde die Strafhöhe für Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung hinter dem Volant von 25 auf 50 Euro verdoppelt.

Aber auch an einer zweiten Front könnten Telefonierer, Gurtenmuffel und Motorradfahrer ohne Helm bald zur Kasse gebeten werden. Denn der Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner – von vorne gemachte Radarbilder für weitere Verkehrsdelikte heranzuziehen – stößt bei Bures auf Zustimmung. Noch vor zwei Monaten waren die Ministerinnen verschiedener Meinung.

Bures dazu: "Ich unterstütze jede Maßnahme, die der Verkehrssicherheit dient. Ich brauche dazu aber einen Entwurf des Innenressorts. Es geht bei den Radarbildern etwa auch um die Frage des Datenschutzes."

Kommunikationsdefizit

Diesen Entwurf will aber das Innenministerium "dem Verkehrsministerium schon vor Wochen übersendet haben", sagt ein Sprecher Mikl-Leitners. Beide Ressorts wollen dem Kommunikationsdefizit jetzt auf den Grund gehen. Für den Gesetzesentwurf, der im Parlament eingebracht werden muss, ist schließlich das Verkehrsministerium zuständig.

Doch der Faktor Ablenkung besteht beim Lenken von Fahrzeugen aus verschiedensten Parametern (Grafik). Bei einer IFES-Umfrage von 500 Autofahrern gaben 60 Prozent an, bei der Fahrt bereits ohne Freisprecheinrichtung telefoniert zu haben. 44 Prozent der Männer und 52 Prozent der Frauen fühlen sich beim Fahren abgelenkt. Die IFES-Studie zeigt aber auch ein überraschendes Ergebnis: 70 Prozent der Befragten glauben, dass eine verpflichtende Freisprecheinrichtung bei Neuwagen sehr wichtig wäre.

"Ein Fahrzeug zu lenken ist ein Vollzeit-Job. Da ist kein Platz für Multitasking-Versuche", appellierte Asfinag-Vorstand Klaus Schierhackl. Alois Schedl, ebenfalls Vorstand des Straßenerhalters, ergänzt: "Gleichgültig, ob Mobiltelefonie oder Bedienen des Navis, andere Tätigkeiten während des Fahrens sind mittlerweile üblich geworden. Viele Verkehrsteilnehmer empfinden diese Tätigkeiten aber gar nicht als Ablenkung und wissen daher nicht, wie hoch das Gefahrenpotenzial ist."

Vormerkdelikt?

Georg Willi, Verkehrssprecher der Grünen, forderte am Montag eine Gesetzesverschärfung und die Aufnahme des "Handys am Steuer" in das Führerschein-Vormerksystem. Verkehrsministerin Bures erteilte dieser Forderung eine Absage: "Die Gesetzes-Keule hilft nicht immer."

"Kein Platz für Multitasking-Versuche"

Bei 130 km/h auf der Autobahn fährt man pro Sekunde etwa 36 Meter. Eine Navi-Eingabe dauert etwa drei Sekunden. Das ist brandgefährlich. Denn nach nur drei Sekunden hat man mit dem Auto bereits die Länge eines Fußballfeldes bewältigt.

Oder: Ein Lenker fährt mit Tempo 130 in zu geringem Abstand von 50 Metern zum vorderen Kfz. Dieses bremst plötzlich ab. Zwei Sekunden Unachtsamkeit genügen, um ungebremst in den Vordermann zu krachen. Ein SMS-schreibender Lenker benötigt fünf Sekunden, um auf Gefahren wieder reagieren zu können.

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