Kein Muttertag für Estibaliz Carranza

Mörderin Estibaliz Carranza will ihre Strafe in Spanien absitzen.
Die Doppelmörderin sieht ihren Sohn erst im Juni wieder und darf mit Ehemann nicht allein sein.

Der heutige Muttertag ist im Frauen-Gefängnis Schwarzau, NÖ, ein Sonntag wie jeder andere. Leberknödelsuppe und Brathuhn mit Reis und Salat zum Mittagessen, keine Nachspeise, und Blumengrüße gibt es auch nicht.

Die Mütter in der Mu-Ki, in der Mutter-Kind-Abteilung, haben wenigstens ihre Kleinen bei sich. Andere einsitzende Mütter, deren Kinder draußen in Freiheit beim Vater oder bei der Oma leben, bleiben am Muttertag allein. Der Sonntag ist im Gefängnis nämlich kein Besuchstag. Es gibt nicht einmal eine interne Muttertagsfeier. Die wird, samt Torte, unter der Woche nachgeholt.

Beschwert hat sich deswegen noch niemand. Überhaupt hält sich die Besucherfrequenz in der Schwarzau in Grenzen. "Die Frauen halten die Familien zusammen", sagt Anstaltsleiter Gottfried Neuberger. Wenn sie eingesperrt sind, geht draußen jeder seine eigenen Wege. "Die Männer unterstützen die Frauen im Vollzug weniger als umgekehrt."

Besuch aus Spanien

Auch jene Frau, die zwei Männer erschossen, zerteilt und tiefgefroren bzw. einbetoniert hat, bleibt am Muttertag allein. Estibaliz Carranza hat im Jänner 2012 in der U-Haft einen Sohn bekommen und sofort abgeben müssen, weil das Jugendamt das Kindeswohl gefährdet sah. Der Bub lebt bei Carranzas Mutter in Barcelona. Die Oma kommt ein Mal im Monat mit dem Buben auf Besuch in die Justizanstalt. Fünf Stunden Besuchszeit sind üblich, wegen der weiten Anreise gibt es zusätzlich drei Stunden "Spanien-Bonus". Die acht Stunden mit ein bisschen Spielzeug rund um einen Tisch werden auf Donnerstag und Samstag aufgeteilt.

Im Mai kommen Oma und Sohn allerdings nicht nach Österreich. Carranza erzählt im Gefängnis, dass die Flugpreise wegen des Song Contests zu teuer sind. Erst im Juni wird die ehemalige Eissalon-Betreiberin ihren Sohn wiedersehen.

Carranzas Ehemann, der Vater des Buben, kommt manchmal auch allein auf Besuch ins Gefängnis. Die zu lebenslanger Haft plus Maßnahme (Therapie) wegen Gefährlichkeit verurteilte Mörderin hat Antrag auf unüberwachten Langzeit-Besuch in einem extra dafür adaptierten kleinen Nebengebäude der Justizanstalt gestellt. Und freiwillig gleich wieder zurückgezogen, nachdem man in ihrer Zelle ein (verbotenes) Handy gefunden hatte, mit dem sie Fotos von sich im Bikini angefertigt und dann öffentlich gemacht hatte.

Anstaltsleiter Neuberger würde den Antrag ohnehin nicht genehmigen. Nicht, so lange die Psychiaterin Adelheid Kastner bei ihrer Einschätzung bleibt, von Carranza gehe – speziell den Männern in ihrem Leben gegenüber – Gefahr aus. Das Risiko, der aktuelle Ehemann könnte Opfer Nummer drei werden, wagt niemand einzugehen.

Auch Carranzas Chancen, ihre Haft in Spanien und damit näher bei ihrem Kind absitzen zu können, stehen wegen dieser Gefährlichkeitsprognose (Gerichtsgutachterin Kastner erstellt gerade eine neue) schlecht. Spanien hat keine Gefängnisse für eine zeitlich unbegrenzte Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher. So lange die durch das Urteil verfügte Maßnahme nicht erfolgreich abgearbeitet ist, kann die 35-Jährige nicht nach Spanien überstellt werden.

Enge Bindung

Carranza ist eine von 27 Mörderinnen und Totschlägerinnen, die in der mit 136 Frauen belegten Justizanstalt ihre Strafe verbüßen. Sie hat eine Einzelzelle und arbeitet in der Werkstatt, wo sie Spraydosen beklebt und Pizza-Schachteln faltet.

Was ihr verwehrt war, wird aktuell gerade von vier Müttern genützt: Sie dürfen ihre fünf Kinder (darunter Zwillinge) längstens bis zum dritten Geburtstag bei sich behalten. "Bis zum zweiten, dritten Lebensjahr merken die Kinder nicht, dass sie eingesperrt sind", glaubt Neuberger: "Und es gibt eine sehr enge Bindung zur Mutter, weil draußen hat ja niemand wie hier 24 Stunden täglich Zeit für das Kind."

Die 25-jährige Stefanie S. sitzt ihre dreijährige Haftstrafe gemeinsam mit ihrem vier Wochen alten Sohn ab (siehe unten). Die vorzeitige gemeinsame Entlassung in einem Jahr wegen "guter Führung" ist nicht ausgeschlossen.

Zurzeit leben in Österreich 13 Kinder mit ihren Müttern hinter Gittern. Die Mu-Ki, die Mutter-Kind-Abteilung in der Schwarzau, hat einen großen Garten, einen Streichelzoo und einen Spielplatz. Außerhalb der Gefängnismauern gibt es einen angrenzenden Kindergarten für den Nachwuchs von Wachebeamtinnen und Gefangenen.

"Ich nix denken, bin in Gefängnis", sagt die gebürtige Italienerin Stefanie S. und wiegt ihren kleinen Sohn im Arm. Die 25-Jährige kam Ende 2014 mit ihrem Mann nach Österreich und wollte hier als Kellnerin arbeiten. Aber jemand bot ihnen an, Marihuana zu verdealen, damit habe man schneller Geld machen können. Dabei gerieten sie an einen verdeckten Ermittler, der sich als Käufer ausgab. Der (vorbestrafte) Mann bekam sechs Jahre Haft und sitzt in Stein, sie erhielt drei Jahre und merkte in der U-Haft, dass sie schwanger ist. Zuerst war das ein Schock, sagt Stefanie S.: Wohin mit dem Kind? Aber in der Schwarzau "sind gute Beamte, helfen und kaufen alles für Kind."

Daheim in Udine hat sie noch eine Tochter, die bei der Oma lebt. Stefanie S. telefoniert täglich mit der Vierjährigen: "Nix weinen, Mama kommt schnell heim, ich liebe dich so viel." Vom Gefängnis redet die 25-Jährige nicht, sie hat der Tochter erzählt, dass sie auf Arbeit sei.

Ihr Mann hat den Sohn noch nie gesehen. Stefanie S. schickt ihm fast täglich ein Foto. Aber sie will erreichen, dass sie alle drei wenigstens für ein paar Stunden zusammenkommen können.

Anstaltsleiter Neuberger und die stellvertretende Wachkommandantin Gabriele Terler werden prüfen, ob sich so eine Familienzusammenführung praktizieren lässt. Neuberger meint, es sei besser, den Mann aus Stein für den Besuch in die Schwarzau zu bringen als Mutter und Kind nach Stein. Im Männergefängnis für schwere Fälle ist man auf Kinder nicht eingerichtet.

Entzug

Während des KURIER-Lokalaugenscheins bringt eine Gefangene im Krankenhaus in Wiener Neustadt gerade ihr Kind zur Welt. Die Frau ist drogenabhängig, das Kind muss sofort auf Entzug. Die Frau kommt ohne Kind in die Schwarzau zurück, sie hat es zur Adoption freigegeben.

Neben der Dealerin Stefanie S. mit ihrem kleinen Sohn leben in der Mutter-Kind-Abteilung noch eine Räuberin mit ihrem acht Monate alten Kind, eine wegen schwerer Nötigung verurteilte Frau mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn und eine gewerbsmäßige Diebin mit 15 Monate alten Zwillingen.

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