NÖ: Kampf mit Versicherung nach Unfall

Gertraud und Hans Lang
Nach Verkehrsunfall erlitt Beifahrerin im Spital Herzinfarkt. Dafür will jetzt keiner haften.

Wenn Gertraud Lang in der Früh ihre Morgentoilette machen möchte, "ist der ganze Tag schon gelaufen." Die 77-Jährige aus Muthmannsdorf in NÖ kann sich nicht einmal allein frisieren, und in die Badewanne kommt sie auch nicht aus eigener Kraft. Das ist seit einem Verkehrsunfall am 29. Februar 2012 und dessen Folgen so, seither wird die laut Gutachten zu 25 Prozent invalide Frau von der Versicherung hingehalten.

Der Fall ist ein Paradebeispiel dafür, was nach einem alltäglichen Unfall für ein Rattenschwanz an Problemen auf die Opfer zukommt.

Ehemann Hans Lang, 74, erzählt, wie es geschah: "In Weikersdorf in einer unübersichtlichen Kurve hat ein BMW den Vorrang missachtet und uns mittschiffs abgeschossen. Meine Frau hing neben mir im Gurt." Im Spital wurde ein Bruch des linken Handgelenks und der rechten Schulter diagnostiziert, aber das war noch lange nicht alles. Eine Ärztin versuchte, für die Operation am Hals einen Venenkatheter zu setzen, fragte Frau Lang zwischendurch: "Darf ich noch einmal?", und gab nach 20 Einstichversuchen auf. "Ich hab’ mitgezählt", erzählt die Patientin.

Später war eine Kollegin der Ärztin erfolgreich, aber da dürfte durch das Herumdoktern mit der Nadel bereits die Lunge verletzt gewesen sein. "Sie ist zusammengefallen", so beschreibt es Gertraud Lang. Der medizinische Gerichtssachverständige Dietmar Steinbrenner hält in seinem Gutachten fest: Es wurde ein Pneumothorax ausgelöst, durch den Druckanstieg im Brustkorb kam es zu einer Überlastung des Kreislaufs, ein Herzinfarkt war die Folge.

"Ich hatte Todesangst im Spital", sagt Frau Lang. Der Eingriff am Handgelenk verzögerte sich, die Schulter wurde gar nicht mehr operativ behandelt, sodass die 77-Jährige den rechten Arm nicht mehr heben kann. "Wenn ich meinen Mann nicht hätte, bräuchte ich eine Heimhilfe", sagt Gertraud Lang: "Ich kann nicht einmal ein Milchflaschl aufmachen."

Sechs Wochen lag sie im Spital, "in den ersten vier Wochen war ich total wegetreten. Ich wusste nicht, ob Tag oder Nacht ist." Seit damals hat sie nicht nur wegen des Unfalls, sondern auch wegen des angegriffenen Herzens "Angstzustände ohne Ende". Drei Mal war sie danach wegen Panikattacken wieder im Krankenhaus.

15 Jahre hatte das Ehepaar auf ein eigenes Haus hingespart, jetzt hat Gertraud Lang gar keine rechte Freude mehr damit: "Ich kann ja nicht einmal die Fenster putzen."

Auf den Beifahrersitz kann sich die Niederösterreicherin nicht mehr setzen. "Ich höre immer noch den Klescher vom Unfall." Gemeinsame Ausflüge mit ihrem Mann müssen mit dem Zug gemacht werden. Ein Mal verließ sie bei einem Spaziergang die Kraft, ihr Mann holte das Auto, sie stieg ein, krallte sich fest, und er musste im ersten Gang bis nach Hause fahren. "Wenn jemand entgegen kommt, ist es schon aus", sagt Gertraud Lang.

Ihr Mann beklagt: "Da bist du schuldlos am Unfall, musst streiten, musst dir einen Anwalt nehmen, musst klagen, und dann hört man vom Anwalt auf der anderen Seite: ,Können Sie sich Ihr Recht überhaupt leisten?‘"

Risiko

Die Haftpflichtversicherung des Unfallfahrers hat 22.000 Euro Schmerzensgeld für die Verletzungen am Handgelenk und der Schulter gezahlt. Für alles weitere will sie aber nicht haften. Der Herzinfarkt sei nicht unmittelbare Folge des Unfalls.

Ist er auch nicht.

"Aber ohne Unfall kein Spital, ohne Spital kein Herzinfarkt", sagt Hans Lang. Und der Wiener Rechtsanwalt des Ehepaares, Josef Lachmann, ergänzt: Die Rechtsprechung sagt eindeutig, dass der ursprüngliche Schädiger (Lenker) auch für die Folgen haftet, die durch einen Fehler im Spital verursacht werden, weil er "dieses Risiko heraufbeschworen hat".

Das stößt bei der Versicherung bisher auf taube Ohren.

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