Kärnten: "Die Grünen – das ist Brutalität"

F.A.I.R.-Parteichefin Marion Mitsche
Die ehemalige Landes-Parteichefin Marion Mitsche zieht mit der neu gegründeten Bewegung F.A.I.R. in den Wahlkampf.

20.000 Euro beträgt des Wahlkampfbudget der Liste F.A.I.R. ("Für alle interessierten Reformer") für den Urnengang am 4. März in Kärnten. Zur Verfügung gestellt von einem unbekannten Gönner, der nicht auf die Rückerstattung besteht, sollte der Einzug in den Landtag scheitern. Von diesem Geld berappt die ehemalige Grünen- und jetzige F.A.I.R.-Parteichefin Marion Mitsche auch die Kosten für ein Mini-Büro in Klagenfurt, das die Partei zumindest bis März gemietet hat. Dorthin lud Mitsche den KURIER nun zum Wahl-Interview.

Aus Mangel an Mitteln haben Sie Ihr Programm im Internet veröffentlicht. Umweltschutz, Kontrolle, Stärkung der Regionen, soziale Gerechtigkeit. Das bedienen sowieso die Großparteien, also warum F.A.I.R. wählen?

Marion Mitsche: Gerade wenn wir von den Regionen reden, unterscheiden wir uns massiv. Wenn wir das Gesundheitssystem beleuchten, fließen die Gelder ja nur in die Krankenhäuser nach Klagenfurt und Villach. Die Regierung unterstützt das Landärztesterben, schafft keine Erstversorgungszentren, nichts wird umgesetzt. Oder die Digitalisierung: Da fehlt eine Breitband-Strategie wie in Tirol, wo 50 Millionen Euro fließen. Die Regionen werden ausgehungert. Und dann werden wir die Kontrollfunktion wahrnehmen.

Als Grüne in der Regierung hatten Sie bereits die Chance.

Nein. Ich musste als Parteichefin mitansehen, wie wir mit der Regierungsbeteiligung (mit SPÖ und ÖVP, Anm.) diese Aufgabe verloren haben. Die Rolle von Umweltlandesrat Rolf Holub im Hexachlorbenzol-Skandal ist mir bis heute nicht ganz klar.

Also stimmt die Mär, dass Holub vom Aufdecker zum Zudecker mutierte?

Ja. Er hat ja angekündigt, falls er in die Regierung komme, werde er die Aktenberge ausheben. Plötzlich war er der Meinung, Aufdecken und Kontrolle seien Aufgabe der Opposition. Die Grünen haben sich dem Establishment angenähert, wurden zu Steigbügelhaltern.

Die Grünen sind bundesweit in der Krise. Im Brotberuf sind Sie Psychologin, bitte legen sie die Grünen auf die Couch und beurteilen Sie deren Befindlichkeit.

Mit Alexander Van der Bellen sind viele Mitglieder in die Hofburg gewechselt, wichtige Player waren nicht mehr da und Nachbesserungen strategisch nicht gut überlegt. Dann wurde die Basis nicht mehr einbezogen. Ich war ja im erweiterten Bundesvorstand: Wir Kärntner haben dort beispielsweise die Parteimeinung vertreten, die Mitglieder des Bundesvorstandes ihre Privatmeinung. Kritik war unerwünscht. Die Meinungsbildung hat immer mehr in der Spitze stattgefunden, die Basis wurde nicht mitgenommen. Van der Bellen war die soziale Kompetenz der Partei und das Bindeglied zwischen Spitze und Basis. Dann kommt dazu: Die Grünen werden als Gutmenschen betrachtet. Es gibt von außen eine wahnsinnige Erwartungshaltung an die Mitglieder, wie sie leben, sprechen und agieren sollen. Das kannst du nicht ewig aufrecht erhalten. Wenn eine Gruppe nach außen hin immer diese heile Welt ausstrahlt, wird nach innen die Aggressivität gelebt. Das habe ich 15 Jahre lang bei den Grünen erlebt. Da gingen Menschen verloren, die sehr engagiert waren.

Mit Eva Glawischnig, Ingrid Felipe im Bund, Ihrer Person oder Barbara Lesjak in Kärnten übrigens viele Frauen.

Die Grünen geben sich nur als feministische Partei. Wir werden als Köpfe hingesetzt, aber wer hat das Sagen und wer wird klein gehalten? Speziell in Kärnten versuchen die Männer, die Fäden zu spinnen und die Frauen klein zu halten. Da werden bewusst Frauen wie die nette Marion irgendwo hin platziert. Und plötzlich war ich Parteichefin und hab dementsprechend selbstbewusst agiert. Dann war ich zwischen sehr starken Männern, und das war ein Kraftakt, den man nur eine gewisse Zeit aushalten kann. Es waren immer Männer, die dafür gesorgt haben, dass die Frauen nicht mehr in der Politik sind. Das Außenbild der Grünen ist nicht das, was innen gelebt wird. Geht es um Listenplätze, haben die Grünen eine Härte und Brutalität – das glaubt man nicht.

Warum kam keine Kooperation mit Peter Pilz zustande?

Wenn es diesen Skandal um seine Person nicht gegeben hätte, hätte es mich schon gefreut. Wir sind auch so verblieben, dass wir weitere Gespräche führen.

Hat F.A.I.R. bereits die 400 Unterstützungserklärungen für den Wahlantritt beisammen?

Noch nicht. Aber ich habe die ja auch für Van der Bellen und für die Grünen in Wahlkämpfen gesammelt und muss sagen: Jetzt läuft es besser. Und die drei Unterschriften der Landtagsabgeordneten haben wir als Auffangnetz auch sicher. Unterstützer aus unterschiedlichen Parteien übrigens ...

... die Interesse haben, dass F.A.I.R antritt und anderen Parteien Stimmen wegschnappt?

Das sehe ich nicht so.

Haben Sie keine Angst, dass es die Partei zerbröselt, wenn Sie den Einzug verpassen?

Nachdem wir in vielen Bezirksstädten und in Klagenfurt verankert sind, ist das unmöglich.

Möglich wäre theoretisch andererseits sogar eine Konstellation, wonach SPÖ, Grüne und F.A.I.R. eine Mehrheit schaffen. Könnten Sie denn mit Holub?

Ich komme von einer Regierungspartei, das Regieren ist mir also nicht fremd. Ich war immer zu Friedensgesprächen mit den Grünen bereit, jetzt sind wir eigenständig. Zusammenarbeiten könnten wir, befreundet müssen wir ja nicht sein.

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