Justiz behandelt Ausländer anders als Österreicher

Laut Studie gibt es für Ausländer weniger Diversionen, weniger Geld- und weniger bedingte Haftstrafen.

Die heimische Justiz behandelt mit dem Gesetz in Konflikt geratene Ausländer offenbar anders als Österreicher. Das zeigt eine Studie auf, die am Montag bei der Jahrestagung Migrations- und Integrationsforschung der Universität Wien präsentiert wurde. Demnach gibt es für Ausländer weniger Diversionen, weniger Geld- und bedingte Haftstrafen und ein deutlich höheres Risiko, ins Gefängnis zu kommen.

Die Studie wurde von Arno Pilgram und Christina Schwarzl vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie verfasst, wobei der Umgang der Justiz mit ausländischen Angeklagten nur ein Teil war. Die Autoren merken an, dass etwa zwei Drittel aller Anzeigen gegen konkrete Tatverdächtige von den Staatsanwaltschaften und den Gerichten ohne Bedingung eingestellt werden. Das betrifft in- und ausländische Tatverdächtige in gleichem Maß. Allerdings enden bei Österreichern 14 Prozent der Anzeigen mit Diversionen, dagegen nur 13 Prozent mit Verurteilungen. Bei fremden Staatsangehörigen lautet das Verhältnis zwölf Prozent Diversionen zu 17 Prozent Verurteilungen.

Schieflage bei Inhaftierungen

Das schlägt sich in der Statistik nieder: Unter den Verurteilten sind Ausländer mit 55 Prozent noch stärker repräsentiert als unter den Tatverdächtigen (49 Prozent). Sieht man sich dazu die Inhaftierungen an, wird die Schieflage noch deutlicher. Pilgram und Schwarzl zufolge betreffen 74 Prozent der Inhaftierungen Ausländer. Die Autoren machten darauf aufmerksam, dass nicht-österreichische Staatsangehörige wesentlich seltener nur mit Geld- oder bedingten Freiheitsstrafen davonkommen. "Das Muster der gegen nicht vorbestrafte AusländerInnen verhängten Sanktionen gleicht jenem der gegen vorbestrafte ÖsterreicherInnen ausgesprochenen Strafen", heißt es in der Studie.

Nur zehn Prozent nicht vorbestrafter Verurteilter mit österreichischer Staatsbürgerschaft erhalten eine zum Teil oder zur Gänze unbedingte Haftstrafe, bei nicht vorbestraften Fremden sind es 46 Prozent und damit mehr als bei vorbestraften Österreichern (40 Prozent). Hat ein Ausländer schon einmal eine Vorstrafe erhalten, so liegt die Wahrscheinlichkeit, bei einer zweiten Straftat hinter Gitter zu wandern, bei 60 Prozent.

Lediglich vermuten lässt sich, dass "diese Reaktions- und Sanktionsmuster zu einem guten Teil der Nicht-Ansässigkeit der Adressaten geschuldet ist", heißt es in der Studie. Denn aus der Justizstatistik ist - anders als bei den Polizeidaten - keine Information zum Aufenthaltsstatus zu gewinnen und damit auch nicht zur Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zur Wohnbevölkerung.

Kein Anlass für "Sicherheitsalarm"

Pilgram und Schwarzl untersuchten auch die Kriminalität unter Ausländern und arbeiteten einige wesentliche Punkte heraus. So stieg von 2001 bis 2015 die Zahl der einer Straftat in Wien verdächtigten Personen von 51.532 auf 77.737 Personen. Diese Zunahme beschränke sich fast zur Gänze auf Personen mit fremder Staatsangehörigkeit, schreiben die Autoren. Der Sicherheit sei das allerdings nicht erkennbar abträglich, denn von 2003 bis 2015 sei die Zahl der in Wien angezeigten Straftaten um fast ein Viertel von 257.019 auf 195.098 gesunken. Somit gebe die Polizeiliche Kriminalstatistik "keinen Anlass" für einen "Sicherheitsalarm".

Allerdings war der Anteil der polizeilich ermittelten ausländischen Tatverdächtigen deutlich höher als der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung. Jeder zweite Tatverdächtige war Ausländer, in Wien waren 27 Prozent der ansässigen Bevölkerung nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft. Doch dies sei lediglich ein Indiz dafür, dass die Stadt von mehr Menschen frequentiert und bevölkert ist als hier ihren Wohnsitz haben.

Das lasse sich anhand der Informationen in der Kriminalstatistik zum Aufenthaltsstatus der ausländischen Tatverdächtigen verdeutlichen. Die größte Gruppe dabei sind Fremde mit prekärem Aufenthaltsstatus, also "Fremde ohne Beschäftigung" und "Asylwerber". Insgesamt kommen 22 Prozent aller Tatverdächtigen und 46 Prozent aller nicht-österreichischen Tatverdächtigen unter ihnen nicht aus der Wiener Wohnbevölkerung. Zudem machten Pilgram und Schwarzl auf die unterschiedliche Zusammensetzung der Populationen aufmerksam. Unter den Ausländern fanden sich mehr Männer jüngeren Alters und mehr Personen in benachteiligter materieller Lage.

Kriminalität innerhalb von Gruppen

Sieht man sich die Kriminalität unter den Ausländern ohne Bewohnerstatus an, so geht es relativ selten um konfrontative Delikte, weit häufiger zum Beispiel um Diebstahl oder Delikte ohne Opfer, etwa Drogenkriminalität. Delikte gegen Leib und Leben, die persönliche Freiheit und gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung betrifft viel öfter österreichische oder niedergelassene ausländische Tatverdächtige.

Und nicht zuletzt werden Straftaten häufiger innerhalb von nationalen Gruppen verübt. Das betrifft etwa 60 Prozent der Fälle. Täter und Opfer sind einander nur in 37 Prozent der Fälle völlig unbekannt. Fälle innerhalb familiärer Beziehungen werden übrigens deutlich häufiger bei Ausländern, vor allem bei solchen aus den traditionellen "Gastarbeiter"-Staaten, angezeigt. Dies ist laut den Autoren nicht zuletzt auch ein Zeichen von "Integration", wenn bei Fällen innerhalb von Familien Polizei und Justiz in Anspruch genommen werden.

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