Justiz: Ausbildungsmodul über NS-Zeit verpflichtend

Gedenkfeier im Jahr 2015 anlässlich der Befreiung des KZ Mauthausen.
Junge Staatsanwälte müssen lernen, dass KZ-Häftlinge keine "Landplage" waren.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) lässt angehende Richter und Staatsanwälte "nachsitzen". Das Ausbildungsmodul über die Zeit des Nationalsozialismus, das bisher freiwillig absolviert werden konnte, ist ab nun verpflichtend. Damit soll "das Wissen einer jungen Generation von Entscheidungsträgern in diesem sensiblen Bereich erhöht werden". Brandstetter reagiert damit auf die Entgleisung der Staatsanwaltschaft Graz, die mit der Begründung der Einstellung eines Verfahrens wegen NS-Wiederbetätigung für helle Empörung gesorgt hatte.

In der freiheitlichen Zeitschrift Aula (die nach Einschätzung des Dokumentationsarchives des österreichischen Widerstandes das deutschnationale bis rechtsextreme Milieu repräsentiert) war im Sommer 2015 ein Artikel über das Konzentrationslager Mauthausen erschienen. Darin wurden die 1945 befreiten Häftlinge als "Landplage" und "Kriminelle" bezeichnet, die "das unter der ,Befreiung‘ leidende Land plagten". Der Grüne Abgeordnete Harald Walser forderte die Staatsanwaltschaft Graz auf, nach dem Verbotsgesetz zu ermitteln.

Das Verfahren wurde von einer jungen Staatsanwältin, die erst kurz davor ihren Dienst in der Anklagebehörde angetreten hatte, eingestellt. Sie hatte in dem Aula-Text keine "den NS-Völkermord oder andere NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Abrede stellenden, grob verniedlichenden ... Äußerungen" gefunden. Es sei "nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer tausend Menschen aus dem KZ Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte."

"Unfassbar"

Diese von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek später als "unfassbar" bezeichnete Begründung wurde von der Fachaufsicht durchgewunken und ging nie über Schreibtische bei der Oberstaatsanwaltschaft oder im Justizministerium. Sie "pickt", wie man so sagt. Nur der Rechtsschutzbeauftragte Gottfried Strasser (der in der Nähe des KZ Mauthausen aufgewachsen ist) hätte das Verfahren noch neu aufrollen können, doch sah er keinen Anlass zur Kritik an der Einstellung samt Begründung.

In einer parlamentarischen Anfrage forderte der Grüne Walser vom Justizminister Aufklärung zu der "skandalösen Begründung durch die Staatsanwaltschaft Graz." Laut Brandstetter hätte die Einstellungsbegründung, die man als menschenverachtend empfinden könne, den Bereich der Anklagebehörde nicht verlassen dürfen. Wenngleich die Einstellung aus rechtlicher Sicht jedoch "im Ergebnis nachvollziehbar" sei.

Man wolle aber bei der Fachaufsicht Maßnahmen ergreifen, um vor allem beim Verbotsgesetz auch auf die Formulierung der jeweiligen Begründung das Augenmerk zu legen.

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