IS-Mann soll Staatsbürgerschaft verlieren

IS-Mann soll Staatsbürgerschaft verlieren
Wiener Behörde hat Verfahren eingeleitet / Chauffeur der Gotteskrieger ist wieder frei.

Es war im Sommer 2014. Die Meldungen über Austro-Dschihadisten, die sich der Terrormiliz IS angeschlossen haben, beherrschten die Medien. Prediger, die junge Radikale zum bewaffneten Kampf aufgestachelt haben, landeten ebenso wie Dschihadisten, die aus dem Kampfgebiet nach Österreich zurückkamen, im Gefängnis. Das galt auch für jene IS-Sympathisanten, die sich erst auf den Weg nach Syrien machen wollten. Österreichs Politik war damals hochaktiv, um mit verschärften Anti-Terrorgesetzen die IS-Umtriebe im Land einzudämmen.

Doch die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) nahmen sich noch mehr vor. Seit zwei Jahren steht auf der Agenda des Innen- und Außenministeriums, IS-Aktivisten die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Doch hohe gesetzliche Barrieren (siehe Zusatzbericht) hatten eine "Aktion scharf" im großen Stil bisher verhindert.

Erstes Verfahren

Und so wild entschlossen wie die Politik ist man in manchen Beamtenstuben bisher nicht gewesen. Selbst dort, wo es zum Entzug der Staatsbürgerschaft bei IS-Kämpfern eine gesetzliche Handhabe gibt.

Wie der KURIER erfuhr, ist in Österreich erst ein einziges Feststellungsverfahren anhängig. Ein verurteilter Unterstützer des IS-Terrorregimes, der 2015 als Chauffeur von "Wiener Gotteskriegern" Schlagzeilen machte, muss jetzt um seine österreichische Staatsbürgerschaft bangen.

Das Büro der Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) bestätigt, dass die MA35 rund um die Staatsbürgerschaft eines IS-Sympathisanten ein Verfahren eingeleitet hat.

Chauffeur der Krieger

Der Fall des in der Türkei geborenen Yunus F. beschäftigt die österreichischen Behörden seit mehr als zwei Jahren. Am 18. August 2014 wurden der damals 34-jährige Bäcker aus Wien und mehrere Tschetschenen bei der Ausreise festgenommen.

F. sollte später vor Gericht aussagen, dass er die Terror-Ideologie des Islamischen Staates (IS) zunächst "gut gefunden" habe. Bei der festgenommenen Reisegruppe habe er aber nur als Chauffeur der Tschetschenen fungiert. Deren Ziel war es, sich der Terrormiliz anzuschließen.

Für Yunus F., der für die Fahrten Geld nahm, war es nicht die erste derartige Reise mit Gotteskriegern von Wien an die syrische Grenze. Das Gericht verurteilte ihn am 16. Juni 2015 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren unbedingter Haft. Zusätzlich hat der Schöffensenat damals die staatsbürgerlichen Rechte des gebürtigen Türken beschränkt: Ihm wurde das Wahlrecht aberkannt. Im Dezember 2015 wurde das Urteil schließlich rechtskräftig. Der Oberste Gerichtshof wies die Nichtigkeitsbeschwerde von Yunus F. ab.

Behörden-Karussell

Damit ist die Causa für die Behörden noch nicht erledigt. Dem Vernehmen nach hat das Innenministerium bereits im Februar 2015 die MA35 (Staatsbürgerschaft und Einwanderung) in Wien ersucht, ein Feststellungsverfahren zur Staatsbürgerschaft von Yunus F. in die Wege zu leiten. Stellt sich dabei heraus, dass Yunus F. auch türkischer Staatsbürger ist, würde er automatisch seine österreichische Staatsbürgerschaft verlieren.

Was die Beamten der MA35 in den vergangenen eineinhalb Jahren bisher in diesem kniffligen Fall unternommen haben, war zu Wochenbeginn im Büro von Stadträtin Frauenberger nicht klar nachzuvollziehen. Auf KURIER-Anfrage hieß es zunächst, der Akt sei nach Niederösterreich abgetreten worden.

Aus der Haft entlassen

Warum der Umweg nach Niederösterreich? Yunus F. solle dort seine Haftstrafe verbüßen, hieß es. Oder besser gesagt, er hat sie bereits verbüßt. Denn im NÖ-Landhaus wurde dem KURIER bestätigt: "Der Akt ist bei uns am 16. August (2016!) eingelangt. Doch unsere Personenabfrage hat ergeben, dass der Betreffende bereits am 18. August aus der Haft entlassen wurde."

Und da Yunus F. über keinen Wohnsitz in Niederösterreich verfügt, wurde der Akt am 22. August prompt nach Wien retourniert. Seit gestern, Freitag, fühlt sich die MA35 auch wieder für Yunus F. zuständig. "Das Verfahren läuft. Über den momentanen Stand kann aus Datenschutzgründen nicht im Detail informiert werden", teilte das Stadtrat-Büro mit.

Ob Yunus F. bald kein Österreicher mehr ist, hängt auch von der Türkei ab. Üblicherweise versuchen österreichischen Behörden von dort zu erfahren, ob eine Doppelstaatsbürgerschaft besteht. Üblicherweise gibt Ankara dazu keine Antwort. Plan B der MA35 für diesen Fall ist, den Überprüften aufzufordern, selbst einen türkischen Personenstandsregister-Auszug zu bringen ...

Die Forderung, IS-Kämpfern die österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen, ist nicht neu – und nur dann realisierbar, wenn eine seltene Konstellation vorliegt: Der Betroffene muss rechtskräftig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – beispielsweise beim Islamischen Staat – verurteilt worden sein. Und: Er muss über eine zweite Staatsbürgerschaft verfügen, die ihm im Fall des Entzugs der österreichischen bleibt. Denn im Normalfall gilt: Österreich hat sich völkerrechtlich verpflichtet, Staatenlosigkeit zu vermeiden. Konkret heißt dies, dass heimische Behörden einem Österreicher die Staatsbürgerschaft nicht entziehen dürfen. Der "Kandidat" muss also Doppelstaatsbürger sein. Prinzipiell sind diese – abgesehen von seltenen Ausnahmen – zwar verboten, allerdings gibt es eine Dunkelziffer an Personen, die illegalerweise eine zweite Staatsangehörigkeit angenommen haben.

Die Krux dabei: Die Behörden erfahren davon nur zufällig und die österreichische Staatsbürgerschaft würde der Betroffene ohnehin ex lege, also per Gesetz, verlieren. Abgesehen davon sind unter den Syrien-Rückkehrern viele keine Österreicher. Ein hoher Anteil der Foreign Fighters aus Österreich stammt laut Angaben des Verfassungsschutzes aus Tschetschenien (Russland).

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