Interview: "Es wird keine HETA-Opfer geben"

Interview: "Es wird keine HETA-Opfer geben"
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser über den Neustart, magere Jahre und FPÖ-Höhenflüge.

2016 war für Kärnten ein Schicksalsjahr. Nachdem die HETA-Gläubiger das Rückkaufsangebot des Landes Kärnten angenommen haben, ist zwar die drohende Insolvenz abgewendet – dennoch warten in den kommenden Jahren große Herausforderungen auf das Land, das zum Sparen verpflichtet ist. Im KURIER-Interview gestattet Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) einen Rück- und Ausblick, analysiert den Höhenflug der FPÖ und seine Rolle in der Bundes-SPÖ.

Kärnten hat sich aus der Hypo-HETA-Geiselhaft befreit. Gab es in der Schublade einen Plan B für den Fall der Insolvenz?

Kaiser: Es war eine harte Partie. Wir haben nach dem ersten Angebot das Scheitern erlebt, das war auch ein moralischer Tiefpunkt für uns, die wir immer den Optimismus nach außen gekehrt haben. Aber niemand wollte eine gerichtliche Entscheidung, Plan B war letztlich das nachgebesserte Angebot von Plan A. Jetzt müssen wir freilich die Schulden von 1,2 Milliarden Euro abstottern.

Weil Sie den Optimismus nach außen erwähnt haben: Wie hat es bei Peter Kaiser in dieser Phase im Inneren ausgesehen?

Ich war in der Premiere von ,Land des Lächelns‘. ,Immer nur Lächeln und immer vergnügt, doch wie’s da drin ausschaut, geht niemand was an‘, um den Premierensänger der Hauptrolle zu zitieren.

Der Schuldenstand Kärntens hat sich mit der HETA-Lösung auf 3,8 Milliarden Euro erhöht, die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt 6780 Euro. Ist damit zu rechnen, dass in Kärnten jahrzehntelang der Sparstift regiert oder wird Normalität einkehren?

Die Normalität ist nie abhanden gekommen. Trotz aller Spargesinnung, die wir belegbar an den Tag gelegt haben, geben wir derzeit weniger aus, als wir einnehmen – wenn man die Schuldendienste wegrechnet. Es muss akzeptiert werden, dass man intelligent sparen kann, ohne dass es zwei, drei Gruppen in der Bevölkerung gibt, die besonders darunter leiden und ihr Leben umstellen müssten. Es ist uns gelungen, im neuen Budget die ersten Schuldendienste mit einzuplanen – und es geht. Wir müssen Speck weglassen, den unsere Vorgänger noch verwendet haben. Wir haben Dinge gestrafft, optimiert, effektiver gestaltet. Wir werden uns in Zukunft nicht alles leisten können, aber es wird keine Opfer aus der Hypo-HETA-Geschichte geben, niemand wird sagen müssen: ,Dadurch wurde meine Existenz zerstört.‘

Die größte Herausforderung im Jahr 2017?

Das ist und bleibt der Arbeitsmarkt, wo wir in den letzten Monaten sehr positive Entwicklungen verzeichnen. Wir haben jetzt Rekordbeschäftigung in Kärnten. Wenn man sich das regionale Wirtschaftswachstum anschaut, sind wir nach dem Burgenland an zweiter Stelle. Und was die Ratings betrifft, erwarten wir uns weitere Verbesserungen. In diese Richtung wollen wir uns entwickeln. Kärnten hat viel Potenzial, das nicht gehoben ist.

Sie haben noch mit einem persönlichen Damoklesschwert zu kämpfen: Während gegen SPÖ-Finanzländesrätin Gaby Schaunig in der Top-Team-Affäre (Über Scheinrechnungen soll Geld aus dem Gesundheitsreferat, dem Kaiser einst politisch vorstand, bei der parteieigenen Werbeagentur Top Team "geparkt" worden sein.) die Ermittlungen eingestellt wurden, läuft das Verfahren gegen Sie weiter.

Ich bin jemand, der sozialisiert ist, mein Vater war Polizist und ich habe ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Ich bin mir keiner Schuld bewusst und kann trotz der laufenden Ermittlungen den Arbeitstag abspulen. Aber mir wäre lieber, es wäre endlich vorbei.

Sie stehen zu Ihrer Aussage, dass Sie im Fall einer rechtskräftigen Anklageerhebung zurücktreten?

Ich bin niemand, der seine Aussage ändert.

Kommen wir zur Kärntner "Zukunftskoalition" aus SPÖ, ÖVP und Grünen: Man hatte stets den Eindruck, die drohende Insolvenz würde die Regierung gezwungenermaßen noch zusammenschweißen. Die Risse wurden aber in den letzten Monaten größer und offensichtlicher, vor allem die Volkspartei schert immer wieder aus. Wird dennoch erst im Frühjahr 2018 gewählt?

Ja, vorgezogene Landtagswahlen schließe ich aus. Es ist manchmal anstrengend, aber man muss betrachten, welch gesellschaftspolitisches Spektrum vom rechten Flügel der ÖVP bis zum linken der Grünen wir da abdecken. Nach fast vier Jahren könnte jetzt so Mancher das Fazit ziehen: ,Dass die so weit kommen, hätte ich mir nicht gedacht.’ Aber nicht nur die Probleme schweißen zusammen, der sich langsam einstellende Erfolg ebenfalls – bei allen zugegebenen Unterschieden oder Rissen. Diese Koalition ist die einzig vernünftige Regierungsform. Wir alle wissen aber sehr wohl: Bei der Landtagswahl 2013 haben wir vom Wähler einen Vertrauensvorschuss bekommen, 2018 müssen wir uns dieses Vertrauen von Neuem erarbeiten.

Als Kärntner Politiker haben Sie ja schon vor vielen Jahren Erfahrungen mit FPÖ-Höhenflügen gemacht. Wie interpretieren Sie die Erfolge Norbert Hofers bzw. der Freiheitlichen?

Obwohl Hofer auch den zweiten Wahlgang verloren hat: es gibt schon zu denken, dass sich so viele (46,2 Prozent, Anm.) für ihn ausgesprochen haben. Die 54,6 Prozent, die Hofer in Kärnten erhielt, tun mir persönlich weh. FPÖ-Höhenflüge sehe ich aus zwei Perspektiven: Offensichtlich muss man erst verzichtbare Erfahrungswerte sammeln, um zu erkennen, dass eine rückwärts gewandte Politik wenig bringt. Auf der anderen Seite ist aber auch klar: man kann die Wähler dieser Partei nicht ins Eck stellen. Vieles von dem, was Bundeskanzler Christian Kern derzeit macht, deckt sich mit meiner Strategie: in der Normalität den Vergleich zwischen den Parteien, ihren Tätigkeiten und Vorhaben suchen! Dann macht der Vergleich sicher.

Weil Sie Kern erwähnt haben: Sie gelten ja als Kanzler-Macher, werden auch vermehrt zu bundespolitischen Themen zitiert. Wir interpretieren Sie Ihre persönliche Rolle in der Bundes-SPÖ?

Wir in den Ländern sind näher beim Volk und haben gespürt, dass eine Veränderung dringend nottut. Und es war die Größe von Werner Faymann, dass er von sich aus die richtigen Schlüsse gezogen hat. Zur Bundes-SPÖ: Ich bin keiner, der sich in die erste Reihe drängt. Mir ist wichtig, dass unsere Grundsätze zu den Menschen kommen und umgesetzt werden. Diesbezüglich finde ich immer meine Rolle in der Bundespolitik.

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