In Gefängnissen sitzen "maximal 30 Prozent gefährliche Täter"

Wer gehört eigentlich ins Gefängnis?
Kriminalpolitik: Wiener Gerichtspräsident bezieht sich auf deutsche Studie, die zum Nachdenken über Alternativen zur Haft anregt

Eine Gruppe aus Justizexperten hat "Zehn Gebote guter Kriminalpolitik" formuliert (der KURIER berichtete) und einen maßvolleren Einsatz von Haftstrafen propagiert. Der Präsident des Wiener Landesgerichts und Sprecher der Strafrichter, Friedrich Forsthuber, verweist auf Untersuchungen, wie viel Prozent der Strafgefangenen gefährliche Täter sind bzw. gravierende Delikte begangen haben. Und er regt an, "weiter über allfällige mögliche Alternativen zur Haft oder zur Maßnahme nachzudenken".

Besondere Schuld

Forsthuber bezieht sich auf eine auf Österreich umlegbare Studie des deutschen Kriminalsoziologen und langjährigen Direktors des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt am Main, Bernd Maelicke ("Das Knast-Dilemma"). Dieser schreibt: "Empirische Untersuchungen bestätigen immer wieder, dass in deutschen Gefängnissen maximal 30 Prozent gefährliche Täter und solche mit schwerer Kriminalität einsitzen, die wegen ihrer besonderen Schuld oder aus Gründen der Normverdeutlichung mit der Freiheitsstrafe als Ultima Ratio bestraft werden müssen. Mehr als die Hälfte der Inhaftierten hat dagegen leichtere oder mittelschwere Delikte begangen. Es sind Wiederholungstäter, bei denen nicht die Schwere des Delikts oder ihre besondere Gefährlichkeit die Freiheitsstrafe begründen, sondern die Tatsache, dass sie Straftaten mit leichter oder mittlerer Kriminalität in einer bestimmten Phase ihres Lebens ständig wiederholen. Die zentralen vollzugs- und kriminalpolitischen Fragen sind deshalb: Wer gehört eigentlich ins Gefängnis, und warum? Geschieht es aus Gründen der Sicherheit, der Resozialisierung oder der Schwere der Schuld? Und welches sind die besseren Alternativen - gemessen am Erfolg der Verhinderung von Rückfällen?"

In Gefängnissen sitzen "maximal 30 Prozent gefährliche Täter"
18.01.2013, Wien, Landesgericht für Strafsachen
Für zumindest 60 Prozent der Strafhäftlinge wären also andere Sanktionsformen in Freiheit anzudenken, wobei "eine freiheitsliebende Gesellschaft Wege suchen muss, mit einem Rest an Unsicherheit in vertretbarer Weise umzugehen", sagt Forsthuber. Der Gerichtspräsident fordert die "nötigen Konzepte sowie personelle Ressourcen für Resozialisierungsmaßnahmen." Denn "eine erfolgreiche Resozialisierung und Nachbetreuung verhindert Rückfälle."

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