Immer mehr Flüchtlinge kehren freiwillig zurück

Muqdad, Omer und Ali (li.): Flug zurück in den Irak.
Viele hatten sich eine bessere Versorgung und kürzere Asylverfahren erwartet.

Muqdad (23), Omer (29) und Ali (27) sind enttäuscht. Vor drei Monaten kamen sie aus dem Irak nach Österreich. In der Hoffnung, hier ein neues Leben aufbauen zu können. "Wir wollen Frieden, Freiheit und eine Zukunft", sagt Muqdad. "Und wir haben gehört, dass hier sogar die Tiere gut behandelt werden."

Der 23-Jährige ist – wie auch seine zwei Freunde – Computer-Ingenieur. Alle drei waren in den vergangenen drei Monaten im Notquartier für Flüchtlinge in der Vorderen Zollamtsstraße in Wien-Landstraße untergebracht. Morgen, Mittwoch, um 14 Uhr, geht ihr Flug zurück in die Heimat. "Wir wurden hier nur gedemütigt", sagt Omer. "Es war ein Fehler, herzukommen." Auch Dia (30) aus dem Irak sieht das so, nur er sagt: "Es wäre ein noch größerer Fehler, zurückzukehren." So wie Muqdad, Omer und Ai geht es immer mehr Flüchtlingen. Die Zahl jener, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, steigt. Das trifft vor allem auf Flüchtlinge aus dem Irak und Afghanistan zu.

Immer mehr Flüchtlinge kehren freiwillig zurück
Dia (30), Flüchtling aus dem Irak,muss im Flüchtlingsquartier Vordere Zollamtsstraße auf dem Boden schlafen.

Starke Steigerung

Von Jänner bis November dieses Jahres sind laut Innenministerium (BMI) österreichweit 1100 Kosovaren freiwillig ausgereist: Der Kosovo gilt als sicheres Herkunftsland, der Irak und Afghanistan nicht. Trotzdem traten Flüchtlinge aus diesen Ländern am zweit- und dritthäuftigsten freiwillig die Heimreise an: 530 waren es aus dem Irak, 120 aus Afghanistan. "Dieser Trend ist seit Mitte September spürbar", sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums.

Laut der Sozial- und Rückkehrberatung der Caritas traten heuer allein von 1. September bis 14. Dezember 257 Iraker, 35 Afghanen und 53 Iraner die Heimreise an – die meisten von ihnen aus Wien. Zum Vergleich: 2014 waren es zwei Iraker, neun Afghanen und ein Iraner.

Beim Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) zählte man im ersten Halbjahr 2015 pro Monat durchschnittlich 150 Rückkehrer, mittlerweile sind es 260. Am meisten Menschen reisten im Oktober aus, nämlich 307 – 135 von ihnen aus dem Irak. "Und es wird so weitergehen", sagt VMÖ-Geschäftsführer Günter Ecker. Denn 330 Verfahren laufen aktuell noch.

Auch die Botschaften Afghanistans und des Irak in Wien bestätigen die gehäuften Rückreisen. Zwischen fünf und 20 Personen stellen sich laut irakischer Botschaft täglich um Reisedokumente an. Auf der afghanischen Botschaft sind es sechs bis acht Personen täglich. Finanziert wird die Rückreise meist von BMI und EU. Für Ticket und Startbudget gibt es zwischen 50 und 370 Euro.

Unsicherer Aufenthalt

"Bei den Irakern haben sich viele eine bessere soziale Versorgungssituation erwartet", sagt Günter Ecker vom VMÖ. "Viele hatten auch eine falsche Vorstellung über die Länge der Verfahren. Dass sie ein Jahr oder länger warten müssen, um ihre Familie nachzuholen, damit haben viele Flüchtlinge nicht gerechnet."

Bei einigen NGOs steht der VMÖ in der Kritik, weil er im Auftrag des Innenministeriums arbeitet und Flüchtlinge zur freiwilligen Ausreise dränge. Aber das ist laut Günter Ecker gar nicht nötig. Man habe so viel zu tun, dass im Juli sogar zusätzliches Personal eingestellt wurde.

Auch in den Beratungsstellen von Diakonie und Caritas melden sich immer mehr Flüchtlinge, die zurück in ihre Heimat fahren wollen. "Sie fürchten sich vor der drohenden Abschiebung und dem damit verbundenen Gesichtsverlust", sagt Caritas-Sprecher Martin Gantner. Viele würden aus Sorge um Angehörige zurückkehren, oder schlicht, weil sie andere Erwartungen an Europa und Österreich hatten: "Der Aufenthalt in Österreich ist mit vielen Fragezeichen verbunden. Viele Flüchtlinge sind traumatisiert und bräuchten einfach Gewissheit", sagt Gantner.

Morgen um 14 Uhr fliegen Muqdad, Omer und Ali zurück in den Irak. Sie freuen sich darauf: "In Österreich sieht man uns an, als wären wir Terroristen, dabei wollten wir Frieden. Hunde werden in Österreich besser behandelt als Flüchtlinge. Hunde haben etwas Gutes zu essen und sogar etwas zum Anziehen."

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