„I wer’ narrisch“ ist keine Leistung

21. Juni 1978, Córdoba: Der amtierende Weltmeister Deutschland unterliegt Österreich mit 2:3 durch ein „Tooor“ von Hans Krankl, die Sensation war perfekt.
Witwe von Edi Finger senior wehrte sich erfolglos gegen „Tooor“-Vermarktung als Klingelton.

I wer’ narrisch“, hätte Edi Finger senior nicht gesagt. Das ist ihm nur ein Mal entschlüpft, 1978 in Córdoba. Aber explodiert wäre der berühmte Sportreporter (und Vater von Edi Finger junior) schon, hätte er miterleben müssen, wie sein legendärer Ausspruch von den Richtern heruntergemacht wird.

„Tooor, Tooor, Tooor! I wer’ narrisch!“ Das ist laut Oberstem Gerichtshof „keine geistige Leistung“, nicht einmal eine „originelle Wortwahl“, sondern bloß ein „Jubelruf“ in „gebräuchlicher Wiener Mundart“.

Die Tochter von Edi Finger senior, Sissy Finger, kann das nicht akzeptieren: „Das tut mir weh“, sagt sie im Gespräch mit dem KURIER. „Der Vater hätte das auch nicht so schnell vergessen, wenn es um seine Ehre geht.“

Bauchgefühl

Der Ausspruch war Höhepunkt einer Radioreportage des 1989 verstorbenen Sportreporters, der zum Weltmeisterschaftsspiel zwischen Deutschland und Österreich in Argentinien gar nicht anreisen wollte. Aber dann überredete ihn sein Bauchgefühl doch dazu. „Das war oft so“, erinnert sich Sissy Finger. „Da hatte der Vater ein – Fingerspitzengefühl “, die Wortwahl bringt sie zum Lachen.

Als Hans Krankl das 3:2 für Österreich schoss, brüllte Finger sechs Mal „Tooor“ und sein „I wer’ narrisch“ ins Mikrofon. Sogar die Argentinier waren wegen des Auszuckers eines Nicht-Südamerikaners aus dem Häuschen.

„I wer’ narrisch“ ist keine Leistung
Was viele nicht wissen: Auch Radioreporter Edi Finger Senior war während des Spiels von Krankl nicht mehr hundertprozentig überzeugt gewesen.

Die Wortfolge bekam Kultstatus. „Nach über 30 Jahren weiß man sofort, wenn man es hört: Das ist das Match, das ist der Papa“ (Sissy Finger). Schon seit Jahren wird damit Werbung gemacht, für den Fußball, für Coca-Cola, für Zucker. Als es der Musikverleger Universal auch noch als Handy-Klingelton vermarktete, reichte Sissy Finger namens der Witwe und Alleinerbin von Edi Finger senior eine Markenschutzklage ein. „Die Mutter ist eine 84-jährige aufgeschlossene Dame und freut sich jedes Mal, wenn sie den Papa hört“, sagt sie: „Aber das kann doch nicht jeder verwenden, wie er will, ohne dass ihm die Rechte zustehen.“ Man habe nicht viel herausschlagen, aber wenigstens gefragt werden wollen.

Die Klage wurde endgültig abgewiesen. Der Vater habe 90 Minuten nonstop live berichtet, und 90 Minuten passiere ja auf dem Fußballfeld nicht etwas – „wenn das keine geistige Leistung ist, was dann?“, fragt die Tochter. Und wie er dabei die Freude in Worte gefasst hat, das sei das eigentliche Werk.

Wolfgang Blaschitz, Anwalt der Familie Finger, will noch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen: „Das ist ein Eingriff in den Persönlichkeitsschutz. ,So ein Tag, so wunderschön wie heute‘ hat auch Werkcharakter.“

Der Oberste Gerichtshof hat ein Nationalheiligtum entwertet: Edi Fingers „I wer narrisch“ bei Krankls Siegestor 1978 in Cordoba (inklusive Abbusselung des Dipl-Ing. Posch) ist laut Urteil „keine geistige Leistung“, sondern nur ein „Jubelruf in gebräuchlicher Wiener Mundart“. Fingers Witwe hatte auf Urheberrechtsverletzung geklagt, weil „I wer narrisch“ als Klingelton vermarktet wurde. Jetzt geht sie zum Menschenrechtsgerichtshof (ja, es gibt ein Menschenrecht aufs Narrischwerden).

Falls der ihr recht gibt, gibt es ja auch noch die beiden anderen Tore, die sind auch klingeltonreif. Das 1:1 hörte sich so an: „Eins zu eins! Im Gewirr der Beine nehm’ ich alles zurück! Aber wir wurden erhört!“ Und auch das 2:2 klingt wunderschön: „Schuss von Kra ... Tor! Tor! Tor! To-u-or! Ich kann nicht mehr! Der Hansiburli, oiso, sei Papa, der Straßenbahner, wird si g’frein! Oiso schöner kann ma’s gar ned machen. Da fehlen mir die Worte, da müsste ich ein Dichter sein.“

Und das war er in Wahrheit auch. Jubelruf hin, gebräuchliche Mundart her.

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