Häfen-Medizin immer teurer

Häfen-Medizin immer teurer
Helmut Elsners einstiger Gefängnisarzt überwacht Medikamentenflut und Honorare

Wer eine längere Gefängnisstrafe absitzen muss, hat auf einmal viel freie Zeit zur Verfügung. „Diese Gelegenheit wird oft ausgenützt“, sagt der Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl. Zum Beispiel, um sich endlich die Zähne machen zu lassen. Seit Mai vergangenen Jahres hat die Justiz allerdings eine Zahnchefärztin installiert, die solchen Begehrlichkeiten einen Riegel vorschiebt.

Steht die Entlassung bald bevor, wird der (während seines Aufenthalts hinter Gittern nicht krankenversicherte) Insasse mit seiner Zahnsanierung vertröstet bzw. bekommt ein provisorisches Gebiss verpasst. So hat die Zahnchefärztin immerhin 280.000 Euro eingespart. Freilich sind das angesichts der medizinischen Gesamtkosten Peanuts. Der Rechnungshof hat wegen des Anstiegs von 29,3 Millionen auf 73,7 Millionen Euro innerhalb von zehn Jahren (2000 bis 2010) Alarm geschlagen und das Fehlen einer zentralen Fachaufsicht kritisiert.

Privatpatienten

Dem KURIER liegen die neuen Zahlen vor: Die medizinische Versorgung im Gefängnis und vor allem bei externer Behandlung von Häftlingen in Spitälern sowie bei niedergelassenen Ärzten verschlang 2012 rund 80 Millionen Euro. Die Kostenexplosion ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es immer mehr psychisch kranke Täter gibt, die mangels Kapazität in den justizeigenen Anstalten in öffentlichen psychiatrischen Krankenhäusern zum Privatpatiententarif untergebracht werden müssen. Im Pavillon 23 des Otto Wagner Spitals in Wien etwa hat sich der Tagessatz pro Kopf seit dem Jahr 2000 verdreifacht und liegt bei rund 700 Euro.

Es mangelt am Bettenmanagement und an einer Gesamtübersicht über die verabreichten Medikamente samt Schwundkontrolle. Seit mehr als zwei Jahren sucht die Justiz einen allgemeinen Chefarzt für alle Justizanstalten, bisher vergeblich. Interimistisch macht den Job der ehemalige „Leibarzt“ des herzkranken Ex-Bawag-Chefs Helmut Elsner, als dieser noch im Gefängnis saß: Internist Dr. Harald Schopper ist als Primarius in der Justizanstalt Josefstadt längst in Pension, jetzt kontrolliert er – teils von daheim aus – die Rezepte für Häftlinge von Eisenstadt bis Feldkirch. 1500 verschiedene Medikamente mit großen Preisunterschieden für immer gleiche Wehwehchen waren bisher in Verwendung, auf weit unter 1000 hat Schopper die Liste schon gedrückt, 350 sollen es werden.

Externe Fachärzte, früher je nach Bundesland mit bis zu 47 Prozent divergierenden Honorarforderungen, werden jetzt einheitlich nach dem PVA-Abrechnungstarif entlohnt. Für praktische Ärzte gilt ein fixer Stundensatz von 50 Euro brutto. Im Osten klappt das gut, im Westen findet man weniger Ärzte, die für dieses Geld im Gefängnis ordinieren wollen. „Draußen verdient er das Doppelte“, sagt Franz Macheiner von der Vollzugsdirektion: „Aber dafür stellen wir ihm alles zur Verfügung, und er weiß im Voraus, wie viele Patienten er bekommt.“

Einsparungspotenzial liegt auch in einer Kooperation mit dem Bundesheer. Kranke Häftlinge aus den Anstalten rund um Wien werden ambulant ins Heeresspital gebracht. In der Justizanstalt Hirtenberg wird inzwischen am Chefarztbüro gebastelt, mit eigener Software für bundesweiten Zugriff auf alle medizinisch relevanten Daten im Strafvollzug. Der neue Boss soll „Flexibilität im Umgang mit hierarchischen Strukturen“ mitbringen (Ausschreibung) und bis Mitte des Jahres gefunden sein.

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