Grünes Licht für Tempo 100

Zwischen Klagenfurt und Villach sind die Voraussetzungen laut Lärmstudie gegeben
Messungen auf der Südautobahn beim Wörthersee ergaben massive Lärm-Überschreitungen.

1700 Kilometer umfasst das österreichische Autobahnnetz. Auf 230 Kilometern sind derzeit bereits aufgrund von Luft- und Lärm-Bedenken Geschwindigkeitsbeschränkungen verordnet.

Diese Zonen werden sehr wahrscheinlich bald um 30 weitere Kilometer anwachsen, denn die geplante Hunderter-Beschränkung auf der Südautobahn A2 zwischen Klagenfurt und Wernberg bei Villach nimmt nun rasant Fahrt auf.

Seit März dieses Jahres werden auf dem 30 Kilometer langen Abschnitt der A2 in Kärnten Lärm- und Luftgütetests durchgeführt. Erstere sind nun abgeschlossen. Laut Richtwert darf die Belastung für die Anrainer in den Nachtstunden zwischen 22 Uhr und 6 Uhr maximal 50 Dezibel betragen, am Tag sind es 60 Dezibel.

"Wir haben repräsentative Werte eingeholt, weil derzeit die Bauwirtschaft Hochsaison hat und das Verkehrsaufkommen in den letzten Monaten entsprechend hoch war: Es gibt an allen fünf Messstationen Überschreitungen des Lärmniveaus, teilweise sind sie sogar deutlich, sind sie massiv", sagt Albert Kreiner, Leiter der Infrastrukturabteilung des Landes Kärnten. Zahlen will er vorerst nicht nennen.

Ein unabhängiges Sachverständigenbüro sei mit einem detaillierten Gutachten beauftragt und werde "in den nächsten Tagen" Zahlen und Fakten liefern, inwiefern sich ein Tempolimit von 100 km/h auf eine Lärmreduzierung auswirken würden. Kreiner: "Wir müssen natürlich nachweisen, dass es zu keinem Ausweichverkehr in die Ortschaften und somit zu einer neuen Belastung kommt."

Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne), der die Messungen in Auftrag gegeben hat, geht von einem positiven Gutachten und somit auch von der Realisierung des "Lärm-Hunderters" aus. "In einem nächsten Schritt werden wir die Daten an das Verkehrsministerium übermitteln", heißt es aus Holubs Büro.

Sämtliche Bürgermeister der Wörthersee-Gemeinden haben in den vergangenen Wochen Resolutionen an SP-Minister Jörg Leichtfried (der Bund ist für Verordnungen nach dem Lärmschutzgesetz verantwortlich) gesendet, um den Druck zu erhöhen. "So unglaublich das klingt, aber auch wir am Südufer sind massiv vom Autobahnlärm betroffen, weil der sich über das Wasser zu uns überträgt", sagt der Schieflinger Gemeindechef Valentin Happe (ÖVP).

Tempo 100 könnte nun rasch kommen. "Theoretisch dauert die Umsetzung nur ein paar Monate", gibt die Pressestelle des Ministeriums bekannt. Es werde geprüft, wie detailliert die Kärntner Messungen, die Auswirkungen des Lärms auf die Anrainer und die eines Tempolimits dokumentiert seien. Auch die Asfinag müsse man einbeziehen.

Luft-Hunderter

Parallel zum "Lärm-Hunderter" hat indes Holub ein zweites Ass im Ärmel: die Tempobremse nach dem Immissionsschutzgesetz Luft (IG Luft), auf die das Land steigen könnte. "Diesbezüglich müssen aber auch Messungen in den Wintermonaten einbezogen werden, um Faktoren wie Nebel oder Feinstaub mitberücksichtigen zu können", erklärt Albert Kreiner.

Der Luft-Hunderter ist inzwischen in mehreren Bundesländern gelebte Praxis (siehe Grafik). Gegner und Befürworter liefern sich dennoch immer wieder Gefechte – so etwa in Tirol, wo immerhin 118 Autobahn-Kilometer nur mit Tempo 100 befahren werden dürfen. Seit November 2014 zeigen die Überkopf-Tafeln dort rund um die Uhr die Geschwindigkeitsbegrenzung auf, die zuvor noch geschaltet wurde, wenn die Schadstoffwerte aktuell dazu Anlass boten.

Die Tiroler Landesregierung stieg auf die Bremse, um bei der EU die Genehmigung für das sogenannte "sektorale" Lkw-Fahrverbot zu erhalten, um Lastzüge mit bestimmten Massengütern auf die Schiene zu zwingen. So sollte auch Tirol seinen Teil für eine Verbesserung von Luft- und Lärmwerten beitragen. Die Sinnhaftigkeit wird von Kritikern dennoch immer wieder in Frage gestellt.

Streit um Wirksamkeit

Erst im Juni bezeichnete Tirols Transitrebell Fritz Gurgiser die Bemühungen der Landesregierung, die Belastungen durch den Verkehr zu senken, als gescheitert. "Wir haben in Tirol trotz steigender Verkehrszahlen an sämtlichen autobahnnahen Messstellen deutlich bessere Luft und dieser Trend hält an", konterte daraufhin der Grüne-Klubobmann Gebi Mair daraufhin. Die Grünen versprechen sich vom sektoralen Lkw-Fahrverbot ab 2018 eine Reduktion von 200.000 Lkw jährlich.

Auf Österreichs Autobahnen gilt Tempo 130. Allerdings nicht immer und überall, denn immer wieder findet die Politik Vehikel, um Tempo-100-Regelungen einzuführen. Der KURIER sprach über diese Tendenzen und den aktuellen Fall in Kärnten mit Thomas Jank, Sprecher des Autofahrerklubs ARBÖ für die Region Südösterreich:

Grünes Licht für Tempo 100
Mag. Thomas Jank, Landesgeschäftsstellenleiter des ARBÖ Kärnten
KURIER: Das Land Kärnten spielt zwei Asse aus, um Tempo 100 zwischen Klagenfurt und Villach zu realisieren: Lärm- und Luftschutz.

Thomas Jank: Und wir hinterfragen beide. Geht es um Fragen der Sicherheit und Umwelt, sind wir prinzipiell dabei. Aber Experten schütteln immer wieder die Köpfe, wenn sie erfahren, wie Messwerte zustande kommen. Daher hoffen wir, dass auch das Ministerium sie hinterfragt. Wir bestreiten gar nicht, dass der Lärm zunimmt, aber dieser entsteht durch den Schwerverkehr, der von einem Luft- oder Lärm-Hunderter nicht betroffen wäre. Die Lkw über 3,5 Tonnen sollten schon jetzt 60 oder 80 km/h fahren, tun es aber nicht. Folglich gehört der Verkehr von der Exekutive besser überwacht. Tag und Nacht.

Das Land Kärnten hat zwischen Klagenfurt und Villach massive Lärm-Überschreitungen festgestellt. Dies ist ja nicht nur mit dem Schwerverkehr erklärbar.
Diese Frage stellt sich tatsächlich, denn das Land hat in den Jahren 2006 und 2007 rund um den Wörthersee Millionen in fünf Meter hohe Lärmschutzwände investiert. Wenn diese nun definitiv nichts nützen, dann muss das Land diesen Umstand den Anrainern erklären. Und der Bund muss argumentieren, warum Millionen für den Autobahnausbau ausgegeben werden und dann der Lenker auf 100 km/h heruntergebremst wird.

Warum nimmt man nicht einfach die zwischen Klagenfurt und Villach errechneten vier Minuten Zeitverzögerung in Kauf und winkt den Hunderter durch?
Weil es auf der Strecke kein Problem gibt, weder in Sachen Lärm, noch in Sachen Luft. Zwischen Graz und Klagenfurt hätte ich bei Tempo 100 auch nur zehn Minuten Verzögerung, aber es fehlt die gesetzliche Basis für eine solche Verordnung.

Das Umweltbundesamt vergleicht Tempo 130 mit Tempo 100 und kommt zum Schluss: 25 Prozent weniger Stickoxid, 20 Prozent weniger Feinstaub ...
Ja, mag sein. Aber dann sind wir wieder beim Thema. Die Lenker halten sich ja nicht daran und die Exekutive kontrolliert nicht.

Allgemein fällt auf, das der Wildwuchs an Tempo-100-Beschränkungen österreichweit zunimmt. Wie ist das erklärbar?
Die Politik hat ein Betätigungsfeld entdeckt und Politiker eine Bühne, um ihre Stammtisch-Polemik zu verbreiten. Reine Show.

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