Abgasskandal: Grüne Welle gegen Diesel-Stinker

Schadstoffbelastung: In Deutschland brennt schon der Hut
Die Schadstoffbelastung durch den Straßenverkehr lässt sich reduzieren, auch ohne Fahrverbote. Gemeindebund-Präsident Riedl: Umweltzonen packen das Problem nicht an der Wurzel.

Am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stand am Donnerstag der Dieselskandal auf der Tagesordnung. Die Richter beschäftigten sich mit der Frage, ob Städte und Länder Fahrverbote für Diesel-Pkw verhängen können, weil diese die erhöhte Stickstoffdioxid-Belastung verursachen. Denn: In 35 deutschen Städten, etwa Stuttgart oder München, wird der Stickstoffdioxid-Grenzwert (40 Mikrogramm/Kubikmeter Luft) um bis zu 60 Prozent überschritten. Daher fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die den Abgasskandal aufdeckte, Fahrverbote. Die Leipziger Richter werden aber erst am nächsten Dienstag ein Urteil fällen. Dabei brennt in Deutschland der Hut. "Dass die Deutschen über Umweltzonen nachdenken, ist klar. Bei Stickstoffdioxid-Konzentrationen von 70 Mikrogramm brauche ich weitreichende Maßnahmen", sagt Jürgen Schneider vom Wiener Umweltbundesamt zum KURIER.

In Österreich gibt es an elf Messstellen NO2-Grenzwert-Überschreitungen, an 16 weiteren Standorten sind die Konzentrationen bedenklich. Der offensichtlich schmutzigste Standort ist auf der Höhe der Raststätte Vomp an der Tiroler Inntalautobahn, gefolgt von der Tauernautobahn bei Hallein und dem Linzer Römerberg beim Tunnel. Der ÖAMTC kritisiert dabei, dass zum Beispiel in Vomp die Messstelle direkt beim Beschleunigungsstreifen platziert ist.

Abgasskandal: Grüne Welle gegen Diesel-Stinker
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Vieles möglich

"Wenn man an der Inntalautobahn das Lkw-Nachtfahrverbot und das Tempolimit nicht gesetzt hätte, wäre die Belastung noch höher", sagt Schneider. Man könne unter anderem die Kilometerleistung alter Diesel reduzieren, indem man den öffentlichen Nahverkehr attraktiver und billiger macht; im innerstädtischen Bereich bei Taxis und Zustellern vor allem durch E-Mobilitätsinitiativen." Die Liste der Möglichkeiten ist lang. Laut Bernhard Wiesinger vom ÖAMTC könnte allein mit durchdachten Ampelschaltungen – sprich: sogenannten grünen Wellen – die Stickstoffdioxid-Belastung um 20 Prozent reduziert werden. Das hat aber nur auf jenen mehrspurigen Straßen Sinn, wo der Verkehr auch tatsächlich fließen kann.

Er bestätigt auch, dass eine Hardware-Umrüstung der Diesel-Pkw, also der nachträgliche Einbau von Harnstoff-Katalysatoren, das Stickoxid-Problem weitgehend lösen kann. Das haben Versuche des ÖAMTC und des deutschen ADAC ergeben. Aber das sei eine Bringschuld der Autohersteller, die in Sachen Schadstoffausstoß geschummelt haben. Diese will auch Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl in die Pflicht nehmen. "Es wäre angebracht, dass die Automobilindustrie die betroffenen Autos endlich umrüstet", sagt Riedl. "Fahrverbote würden den Verkehr nur verlagern, aber das Problem nicht an der Wurzel packen. Nachhaltiger sind daher der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der Parkraumbewirtschaftung, und der Park-and-Ride-Angebote."

Vertragsverletzung

"Weil es in OÖ bisher nicht gelungen ist, an der Messstelle Römerbergtunnel in Linz die Stickoxid-Werte unter den vorgegeben Grenzwert von 40 Mikrogramm zu senken, droht seitens der EU ein Vertragsverletzungsverfahren", sagt Landesrat Rudi Anschober. Die etwaigen Strafen seien saftig. Um das zu vermeiden, wird er im Frühjahr ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Luft einbringen. Bis 2025 sollen 30 Prozent der Pendler mit Öffis nach Linz kommen, derzeit sind es nur 17 Prozent.

Von Fahrverboten hält er wenig. Sie würden jene treffen, die auf ihr Fahrzeug unbedingt angewiesen sind.

Während Fahrverbote für schadstoffreiche Pkw in Österreich noch Theorie sind, bremsen zahlreiche europäische Metropolen derartige Fahrzeuge an ihren Toren bereits aus. Die Strategien reichen von verschiedenen Formen der Umweltzone bis hin zur City-Maut.

In fixe Umweltzonen dürfen nur Diesel- und Benzin-betriebene Fahrzeuge eines jüngeren Baujahres oder einer bestimmten Abgasklasse (Euronorm) einfahren. Die Zonen erstrecken sich in der Regel um das Stadtzentrum. Die Einfahrtsbeschränkung kann entweder generell oder während bestimmter Tage (oft ist das Wochenende ausgenommen) bzw. Uhrzeiten gelten. Meist kennzeichnen verschiedenfarbige Plaketten an der Windschutzscheibe zufahrtsberechtigte Fahrzeuge. In Brüssel – wo erst zu Jahresbeginn eine Umweltzone verhängt wurde – muss das Auto samt Kennzeichen online registriert werden. Fixe Umweltzonen haben Städte in Südtirol (Bozen, Brixen), Frankreich (Paris, Grenoble) Portugal (Lissabon) und Deutschland eingerichtet. Letzteres zählt über 50 derartige Zonen, zum Beispiel in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Köln, München und Regensburg. Wer dort unerlaubterweise in eine Umweltzone einfährt, muss rund 80 Euro Strafe bezahlen.

Dem gegenüber werden situationsbedingte Umweltzonen erst ab einer bestimmten Luftverschmutzung schlagend. Bei erhöhten Smogwerten kann etwa in ungarischen Städten – darunter Budapest – ein Fahrverbot für schadstoffreiche Fahrzeuge ausgesprochen werden. Ähnlich gehen auch einige Regionen und Städte in Frankreich (Paris-Umgebung, Grenoble, Lille, Lyon, Straßburg, Toulouse sowie zwölf der 96 Departements) vor. Im norwegischen Oslo kann bei erhöhten Ozon-Werten kurzfristig ein Einfahrtsverbot angeordnet werden.

Zahlen bitte!

Um die Autokolonnen aus den Zentren zu verbannen und so auch die Luftqualität zu verbessern, kassieren einige europäische Städte eine City-Maut. Beispiele dafür sind in Italien (Bologna, Mailand), in Norwegen (Baerum, Bergen, Bodo, Haugesund, Namsos, Nord-Jaeren, Oslo, Tonsberg, Trondheim) und in Schweden (Stockholm, Göteborg) zu finden. Bekannt ist die City-Maut der britischen Hauptstadt London. Wer mit dem eigenen Pkw ins Zentrum fahren will, muss eine "Congestion Charge" von 11,5 Pfund (rund 13 Euro) pro Tag entrichten.

- Stefanie Rachbauer

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