Grazer SPÖ: Würstel gegen die Talfahrt

Michael Ehmann, 41, übernahm die SP-Graz erst im Vorjahr
Spitzenkandidat Michael Ehmann versucht, den kontinuierlichen SPÖ-Stimmenverlust aufzuhalten.

"Und wenn’s 0,1 Prozent mehr sind, dann freuen wir uns auch über das." Michael Ehmann wirkt nicht so, als würde er bewusst tiefstapeln. Der 41-Jährige könnte tatsächlich zufrieden sein, wenn er bloß das Ergebnis aus 2012 hielte. Er wäre dann nämlich der rote Spitzenkandidat in Graz, der die Abwärtsspirale der einst stolzen und mächtigen Bürgermeisterpartei gestoppt hätte.

Von 1998 dem letzten Wahlkampf Alfred Stingls als Spitzenkandidat bis 2012 halbierte sich die SPÖ: Schon Stingls Ergebnis mit 30,9 Prozent brachte gegenüber 1993 einen Verlust an Stimmen, aber immerhin noch den ersten Platz. 2003 und 2008 ging die SPÖ nur noch als Zweite ins Ziel. Das Desaster kam 2012 unter Martina Schröck mit nur noch 15,3 Prozent, weit hinter der linken KPÖ.

Selbsthilfegruppe

Ehmann ist der sechste Stadtparteiobmann innerhalb weniger Jahre, er kam nach Schröcks plötzlichem Rücktritt Mitte April zum Zug. Der Gewerkschafter hofft jetzt auf Ruhe innerhalb seiner Fraktion. "Die SPÖ Graz sollte sich nicht mehr als Selbsthilfegruppe sehen", erlaubt sich der Parteichef einen leisen Anflug von Kritik an den eigenen Genossen. "Es geht darum, mit den Grazern wieder ins Gespräch zu kommen." Das übte er vor Kurzem bei Taxifahrten oder am Würstelstand: Wer ihm zuhörte, dem servierte Ehmann Frankfurter mit Senf. Freitag lädt er zum "Star Wars" -Schauen ins Kino.

Die Vorverlegung der Wahlen "ist in unserer Situation natürlich nicht ganz einfach", gesteht Ehmann. Aber wir werden uns die Hax’n ausreißen. Wir rechnen damit, stärker zu werden." Eine lange Liste voller Ideen haben er und Klubobmann Gerald Haßler parat, sie ist breit gestreut: Integrationshilfe statt Mindestsicherung für Asylberechtigte, Nahverkehrsabgabe, fairerer Finanzausgleich mit dem Bund, aber auch mit den 35 Umlandgemeinden und Einsparen bei Förderungen.

Dreierkoalition

ÖVP-Stadtchef Siegfried Nagl hat jüngst betont, dass Ehmann gerne als seinen Vize sähe. Auch dem roten Parteiobmann wäre eine ÖVP-SPÖ-Koalition am liebsten: "Wenn sich das ausgeht ...", formuliert er. Derzeit ginge es nicht, Schwarz-Rot hätte keine Mehrheit. Für Dreiervarianten ist Ehmann offen, ob mit ganz links oder rechts, er sieht es pragmatisch. "Ich hab’ kein Problem mit demokratisch legitimierten Parteien. Man muss sich fragen, mit welcher Partei gibt es die größten Schnittmengen?"

Hetze sehe er "natürlich problematisch. Aber in letzter Konsequenz haben wir den Proporz in Graz. Über den kann man nicht so einfach hinweg." Einen FPÖ-Vizebürgermeister zu küren, kann sich der Sozialdemokrat dann doch nicht so ohne Weiteres vorstellen. "Das müssten wir intern sehr gut besprechen."

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