Grasser blitzt mit Ablehnungsantrag gegen Richterin ab

Die Staatsanwaltschaft ermittelt indes weiter gegen Grasser: Die Vorwürfe rund um den BUWOG-Verkauf, den Linzer Terminal-Tower und das sogenannte "Schwiegermutter-Geld" sollen aufgeklärt werden. Eine von Grasser beantragte Einstellung des Verfahrens wird abgelehnt.
Landesgericht für Strafsachen lehnt Antrag der Grasser-Anwälte ab: Richterin Hohenecker wegen Twitter-Kommentaren ihres Ehemanns nicht befangen.

Jetzt sind auch die Richter in den Niederungen der sozialen Medien angekommen, über deren verunglimpfende oder hetzende Ausflüsse sie mitunter richten müssen.

Der Korneuburger Strafrichter Manfred Hohenecker kommentierte via Twitter mit Vorliebe Gerichtsverfahren gegen (Ex-)Politiker wie Peter Westenthaler oder Karl-Heinz Grasser. Mit seinen süffisanten Tweets über den Ex-Finanzminister hat er aber dem ohnehin schon pannenreichen Buwog-Prozess gegen KGH und 14 Mitangeklagte weitere Kalamitäten beschert. Und für seine Frau Marion Hohenecker, der Richterin im Prozess, beinahe den Vorsitz verspielt.

Grasser blitzt mit Ablehnungsantrag gegen Richterin ab
Gericht, Prozess, Wunderheiler, Krebsarzt, Wassil Novicky Marion Hohenecker

Grassers Verteidiger Manfred Ainedter und Norbert Wess haben – wie berichtet – gegen die Richterin einen Ablehnungsantrag eingebracht, weil sie ihre Befangenheit befürchten. Aus den Nachrichten ihres Mannes über Grasser würde sich eine „tiefe Abneigung“ gegenüber dem Angeklagten ergeben, Manfred Hohenecker habe sich an der Vorverurteilung Grassers beteiligt. Als eines mehrerer Beispiele dient das in seinem Twitter-Account von ihm mit „immer noch aktuell“ kommentierte Musikvideo „Karl-Heinz“, mit Textzeilen wie: „Wann geht der karlheinz endlich in hefn, der karlheinz wann muas der endlich ins loch.“

Nachgefragt

Der KURIER konfrontierte Manfred Hohenecker mit diesen (inzwischen nicht mehr für jedermann einsehbaren) Twitter-Nachrichten und bat ihn um eine Stellungnahme. „Es gäbe viel dazu zu sagen“, sagte Hohenecker, „und es gäbe auch viel zu twittern. Aber der Presseerlass (Auskünfte dürfen nur von den Medienstellen erteilt werden, Anm.) verwehrt es mir.“ Die Nachfrage, warum er nicht über seinen privaten Twitter-Account sprechen dürfe, es sei doch kein offizieller Kanal der Justiz, quittierte der Richter mit der Bemerkung: Das habe durchaus Bezug zur Justiz.

Hohenecker gilt unter Kollegen in Korneuburg als hervorragender Verhandlungsrichter, der stets penibel vorbereitet sei. Er führte unter anderem den Prozess gegen den Polizisten, der einen 14-jähriger Einbrecher im Supermarkt erschossen hatte.

Donnerstagnachmittag wies der Präsident des Landesgerichts Wien, Friedrich Forsthuber, den Befangenheitsantrag gegen Richterin Marion Hohenecker ab.

Diese selbst nimmt vom Getwitter ihres Mannes - das ihr gar nicht bekannt sei - Abstand: Sie distanziere sich von "allen veröffentlichten Meinungen, die die Unschuldsvermutung gegenüber Angeklagten verletzen", ließ sie wissen. Man könne aufgrund der ideologischen Einstellung eines (ihres) Ehemannes nicht auf die Meinung der Ehefrau schließen.

Der Gerichtspräsident äußerte im Beschluss auch Kritik am Korneuburger Kollegen: Seine Tweets zeigten die "grundsätzliche Problematik derartiger Foren, in denen User völlig unreflektiert Followern ihre Weltanschauung aufzudrängen versuchen und sich häufig in verletzender Form über andere Personen äußern."

"Fehlverhalten eines Richters" würden jedoch keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit anderer Richter, "auch nicht eines nahen Angehörigen", erwecken, schreibt Forsthuber und lässt „keinesfalls Rückschlüsse auf Haltung und Ansichten der zuständigen Vorsitzenden" zu.

Ob Marion Hohenecker überhaupt die zuständige Richterin ist, wird sich erst am Vortag des geplanten Prozessbeginns weisen. Am 11. Dezember entscheidet der Oberste Gerichtshof (OGH) indirekt, wer den sogenannten „Villa Esmara“-Prozess gegen Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics führen soll. Dieser ist auch im Buwog-Prozess angeklagt. Hält der OGH Marion Hohenecker für nicht zuständig, platzt der Grasser-Prozess vorerst.

Grasser im TV

Ein Richter bedrängt eine Rechtspraktikantin während ihrer Ausbildung und droht ihr eine zugespitzte Dienstbeschreibung an, wenn sie sich ihm verweigert. Ein anderer Richter macht in seiner Urteilsbegründung Zeugen und ihr äußeres Erscheinungsbild herunter ("überladene Person", "Seifenoper"). Und ein dritter stichelt via Twitter jenseits jeglicher Unschuldsvermutung über einen Angeklagten (KHG), was sich an sich schon verbietet; noch dazu über einen Angeklagten, über den seine Frau zu Gericht sitzen muss.

Das Wort "Ansehen" (des Berufsstandes) scheint im Vokabular mancher Richter nicht mehr vorzukommen. Die Justiz ist ganz dringend gefordert, ihre Selbstreinigungsmaschinerie anzuwerfen.

Kommentare